Rezension

Eine großartige Geschichte von der Liebe zu sich selbst

DUMPLIN' - Julie Murphy

DUMPLIN'
von Julie Murphy

Bewertet mit 5 Sternen

Seit einigen Wochen ist Julie Murphys Roman Dumplin' gefühlt überall - mir ist das Buch schon auf der Buchmesse förmlich ins Gesicht gesprungen und da ich selbst nicht gerade Traummaße habe, musste Willodeans Geschichte einfach mit. Auch wenn es erstmal nach Klischee klingt - ich war super neugierig und gespannt darauf, wie Julie Murphy die Thematik umsetzt. Und um direkt mit der Tür ins Haus zu fallen: Ich bin begeistert! Denn Julie Murphy wertet die Handlung mit so vielen Details auf, dass man sich beim Lesen einfach wohlfühlt und Clover City inklusive aller Charaktere förmlich vor sich sieht.

Zuallererst ist da Murphys Protagonistin Willowdean - ein selbstbewusstes, von innen wie von außen schönes Mädchen, das die Hänseleien ihrer Mitschüler und den Diät-Wahnsinn ihrer Mutter von sich abprallen lässt und ganz einfach ihren eigenen Weg geht. Durch den tragischen Tod ihrer Tante, die mit über 200 kg einen Herzinfarkt erlitt und viel zu jung starb, gerät Willowdean jedoch ein wenig ins Straucheln - sie verliert ihren Anker und gleichzeitig das Verbindungsglied, das sie und ihre Mutter immer irgendwie verband. Denn Will und ihre Mutter haben kein besonders gutes Verhältnis, was in erster Linie daran liegt, dass Wills Mutter weit davon entfernt ist, ihre Tochter so zu akzeptieren, wie sie ist. Dass sie ihr seit ihrer Kindheit einzureden versucht, dass sie als dickes Mädchen niemals richtig glücklich werden kann. Teilweise habe ich diesen Umgang als sehr schmerzlich empfunden und es hat mir jedes Mal einen Stich versetzt, wenn Wills Mutter ihre Tochter "Dumplin" nannte. Denn stellen wir uns alle mal kurz vor, unsere Eltern würden uns seit unserer Kindheit nur mit "Knödel" ansprechen - ähm, tut mir leid, aber ich glaube, da wäre bei mir schon lange eine Sicherung durchgebrannt. Ich hatte beim Lesen stellenweise richtige Wut auf Wills Mum und habe Will gleichzeitig dafür bewundert, dass sie diese kleine Gehässigkeit immer an sich abprallen lässt.

Aber Willowdean ist auch wie jeder Teenager in dem Alter - sie verliebt sich, muss zum ersten Mal körperliche Nähe zulassen und hasst und liebt es zur gleichen Zeit. Sie beginnt, mit sich und ihrem Körper zu hadern und fragt sich, ob sie nicht doch glücklicher wäre, wenn sie schlank wäre. Diese Gedanken kennen wir, glaube ich, alle - gerade in der Pubertät vergleicht man sich unwillkürlich ständig mit anderen, man sieht Problemzonen, wo vielleicht gar keine sind, und man fühlt sich plötzlich überhaupt nicht mehr wohl in seiner Haut. Julie Murphy gelingt es unheimlich gut, dieses Gefühl der Zerrissenheit und Willowdeans inneren Kampf darzustellen. Denn Will mag ihren Körper plötzlich gar nicht mehr und hat Angst davor, sich an Bos Seite in der Öffentlichkeit zu zeigen und sich so dem Spott der ganzen Stadt auszusetzen - gleichzeitig aber hasst sie sich selbst für diese Gedanken und ist wütend. Wütend darauf, dass sich in Clover City alles um das eine perfekte Schönheitsideal dreht und dass es ihr jetzt plötzlich doch etwas ausmacht, keine Schönheitskönigin zu sein.

Willowdean ist einfach ein unheimlich authentischer Charakter, weil sie so vieles ist: Selbstbewusst und stark, unsicher und kleinlaut, inspirierend und lebensfroh, liebenswert und manchmal ein bisschen nervig, mutig und feige, melancholisch und positiv. Teilweise fällt sie von einem Extrem ins nächste und nicht immer sind ihre Reaktionen absolut nachvollziehbar. Und genau das macht sie zu einem so echten Menschen, wie man ihm in Romanen nur selten begegnet. Indem sie so herrlich normal ist, ist Willowdean etwas ganz Besonderes und man hat sie ganz sicher nicht durchgehend lieb, sondern hinterfragt (wie sie selbst) hin und wieder ihr Handeln und ist auch mal wütend auf sie. Ich finde das großartig, weil Willowdean einfach ein bisschen so ist wie wir alle. Das trifft zum Großteil auch auf die anderen Charakteren zu - ihre beste Freundin Ellen, die sich plötzlich fragt, ob sie nicht etwas vom Leben verpasst, wenn sie mit Will befreundet bleibt. Wills Mutter, die von früh bis spät damit beschäftigt ist, ihrem eigenen Schönheitsideal gerecht zu werden und die dabei auch zwanghaft versucht, ihre Tochter in eben jenes zu pressen. Bo, dem Wills Maße eigentlich vollkommen egal sind, der sich aber zuerst trotzdem nicht traut, voll und ganz zu ihr zu stehen.

Dumplin' zeigt uns die Schranken in unseren Köpfen, es zeigt uns aber auch, wie wir diese Schranken überwinden. Es geht im Leben nicht ums Gewinnen oder Verlieren, nicht darum, wie andere uns sehen oder wie wir in den Augen anderer vielleicht sein sollten - es geht einzig und allein darum, man selbst und dabei glücklich zu sein. Eine schöne und wichtige Botschaft, die Julie Murphy in ganz viel Humor und Lebensfreude packt. Denn Willowdean und ihre neuen Freundinnen (die sich gemeinsam mit ihr dem Schönheitswettbewerb stellen) gehen alles andere als bierernst durchs Leben - viele witzige Situationen und Wills und Els Faible für Dolly Parton lockern die Handlung auf und machen beim Lesen einfach Freude. Ich habe diese Geschichte genossen, geliebt und gefeiert und ich war von diesem starken Ende gleichermaßen begeistert und enttäuscht. Enttäuscht, weil die Geschichte nun zu Ende war und weil Will sich nach so vielen Seiten einfach wie eine gute Freundin anfühlt. Man könnte direkt weiterlesen und nie mehr aufhören.

Mein Fazit:
Die Geschichte um Dumplin' steckt voller wichtiger Botschaften, voller Liebe (vor allem zu sich selbst), voller authentischer Charaktere und voller Humor. Das Buch macht Spaß, regt zum Nachdenken an und reißt mit - mich zumindest. Ich liebe Julie Murphys Art zu erzählen und ganz besonders bewundere ich ihre vielschichtigen und von vorne bis hinten authentischen Charaktere. Dumplin' ist einfach großartig, von der ersten bis zur letzten Seite. Ein ganz, ganz tolles Buch!