Rezension

Eine großartige Idee, perfekt umgesetzt

Scythe 01 - Die Hüter des Todes - Neal Shusterman

Scythe 01 - Die Hüter des Todes
von Neal Shusterman

Bewertet mit 5 Sternen

Ein paar Jahre lang war ich dem Vampir-Thema verfallen und habe nicht nur Bücher, sondern auch Filme über sie/mit ihnen verschlungen. Dabei blieb es natürlich nicht aus, dass ich mir Gedanken über die Unsterblichkeit gemacht habe. Was ich als Kind noch toll fand - die Idee, für immer zu leben - hat sich mit dem Älterwerden relativiert und ich konnte die Gefühle einiger Vampir nachvollziehen, dass sie des Lebens überdrüssig wurden. Worüber ich mir nie Gedanken gemacht habe war, wie es wäre, wenn JEDER unsterblich ist - nicht nur die Vampire. Nie habe ich überlegt, was für große Probleme entstehen, wenn zwar stets neue Menschen auf die Welt kommen, aber nie wieder welche gehen. Umso begeisterter war ich, als ich die Inhaltsangabe zu Scythe - Die Hüter des Todes von Neal Shusterman gelesen habe. Da ich auch die Leseprobe großartig fand, habe ich mir das Buch für eine lange Bahnfahrt gekauft - und habe es nicht bereut.

Neal Shusterman nimmt sich des Gedankens an, was wäre, wenn es keinen natürlichen Tod mehr gibt und alle Menschen ewig leben, ohne Krankheiten, ohne altersbedingte Gebrechen, die Menschen gehen einfach alle "über den Berg" und können sich auf ein jugendliches Alter zurückswitchen lassen. Schon jetzt platzt unsere Welt aus allen Nähten, in Shustermans fiktiver Welt kommt wie beschreiben noch dazu, dass niemand mehr stirbt. Gelöst wird "das Problem" durch Menschen, die Scythe genannt werden. Diese sorgen für das Gleichgewicht, indem sie Menschen gezielt töten (im Buch "Nachlese" genannt) - und es ist egal, ob es Kinder oder alte Menschen sind, wobei das Alter hier ja relativ ist, da sich jeder so alt oder jung machen lassen kann, wie er will.

Neal Shustermans Roman hat mich absolut begeistert. Seine Sprache ist beeindruckend, ich habe jede einzelne Seite geliebt und mir oft Zitate notiert, z. B. "Er genoss [...] die kathartische Wirkung, ein Buch zuzuschlagen" oder "Scythe Curie schien mit einem Gemisch von Gefühlen zu ringen, die sie jedoch faltete und weglegte wie Kleider, die ihr nicht mehr passten, bevor sie diese Schublade zuschob." Ist dieser Satz nicht hervorragend? Neal Shusterman lässt damit passende Bilder vor meinem inneren Auge aufsteigen und ich genieße sie auch beim wiederholten Lesen.

Gelungen fand ich auch die Idee, der eingeschobenen Auszüge aus den Nachlese-Tagebüchern einiger Scythes. Ich bekam Einblicke in die Gedankenwelt dieser Menschen und da sie keine Götter, sondern eben normale Menschen mit einem besonderen "Beruf" sind, gibt es auch hier gute Menschen sowie Arschlöcher, die aus reiner Lust am Morden nachlesen. Scythe Goddard ist einer davon und perfekt negativ beschrieben, seine Arroganz, seine Mordlust, sein ganzes wirklich unmenschliches Gehabe bringt Neal Shusterman auf den Punkt. Ich habe es genossen, Goddard zu hassen. Die jungen Protagonisten Citra und Rowan, die als Scythe-Lehrlinge beginnen, durch einen Schicksalsschlag aber getrennte Wege gehen, haben mir genauso gut gefallen. Die getrennten und noch verbundenen Geschichten zu verfolgen - Shusterman zeichnet nicht nur einen Weg auf, sondern wechselt von Kapitel zu Kapitel - war spannend und sehr gut beschrieben.

Scythe - Die Hüter des Todes ist ein hervorragendes Buch, toll geschrieben, sehr spannend, wenn auch teilweise sehr blutig (angesichts des Grundthemas wohl aber kein Wunder) und keinesfalls nur für junge Leser geeignet. Neal Shustermans Jugendroman ist perfekt für alle Altersklassen (wenn auch nicht für sehr junge Leser gedacht, da wirklich einiges an Blut fließt). Ein Lob auch an die Gestalter des Covers - die changierenden Farben und der "Todesengel" mit der Sense sind ein absoluter Hingucker.

Ich bin absolut begeistert und kann den zweiten Teil kaum erwarten. Verdiente 5 Sterne!