Rezension

Eine gute Basis für tolle Gespräche!

George, 3 Audio-CDs - Alex Gino

George, 3 Audio-CDs
von Alex Gino

Bewertet mit 5 Sternen

Die meisten Kinderbücher sollen Kindern helfen ihr Umfeld, Menschen und Situationen besser einschätzen und verstehen zu können, sie auf Probleme vorbereiten und bestenfalls Lösungen anbieten, die Welt, die sich permanent für sie verändert, erweitert und vergrößert, nahbar zu machen. Und "George" ist noch etwas spezieller. Mit "George" soll Kindern das Bewusstsein geöffnet werden, dass es auch Kinder gibt, die anders aussehen als sie sich innerlich fühlen. Denn George ist äußerlich ein Junge, doch in dieser körperlichen Hülle steckt ein empfindsames und verängstigtes Mädchen Melissa. Sie möchte so gerne gesehen werden, sie möchte sich der Welt offenbaren.

In der schulischen Theateraufführung sieht George ihre große Chance! Wenn sie die Rolle für die weibliche Figur bekäme, könnte sie allen Leuten und insbesondere ihrer Mutter zeigen, dass sie eigentlich ein Mädchen ist. Es gibt vorher jedoch eine große Hürde, die überwunden werden muss. Wird die Lehrerin George die weibliche Hauptrolle zuteilen? Wird sie Georges Wunsch verstehen? Denn die meisten Mädchen wetteifern um diese Rolle.

Sehr oft musste ich beim Hören eine kurze Pause einlegen. Ich versuchte mir dann die Situation vorzustellen und ich versuchte mich in George hineinzuversetzen. Durch den unkomplizierten und einfach Sprachstil, da es sich hier um ein Kinderbuch handelt, gelang mir das sehr gut. Ich weiß nicht, wie es sich anfühlt, als eine falsche Person wahrgenommen zu werden aber ich konnte Georges Verletzungen spüren, die sie tagtäglich durch Hänseleinen und Mobbing erleiden musste. 

Und natürlich geht es nicht nur um George. Da gibt es noch ihre Mutter, die nicht sofort begreift, was ihr George permanent zu sagen versucht. Da ist auch noch der große Bruder, der bei seinem "kleinen Bruder" die Andersartigkeit feststellt, sie aber natürlich nicht benennen kann. Und dann sind da auch noch die beste Freundin Kelly, die Klassenkameraden, Lehrer und all die anderen Menschen, die Berührungspunkte zu George haben. All dies macht es ihr schwer sich letztendlich zu outen. 

Sehr authentisch hat Alex Gino aufgezeigt wie es aussieht, sich anfühlt und welchen Problemen auch Kinder bereits ausgesetzt sind, wenn sie in sehr jungen Jahren für sich erkennen, dass sie mit dem falschen Geschlecht geboren wurden. 

Alex Gino leistet mit dem Buch einen tollen Beitrag zum leider immer noch großem Tabuthema Transgender-Kinder. Es gibt sie. Sie leiden, sie haben Angst, sie sind verwirrt. Sie wissen, dass sie aus einem bestimmten Gesellschaftsmuster herausfallen und wünschen sich Beistand und Unterstützung. Diese sollten sie auch unbedingt bekommen! Deshalb finde ich ein Kinderbuch, das diese Problematik thematisiert ganz wundervoll.

Auch das Ende hat mich überzeugt! Georges Geschichte endet nicht märchenhaft, indem sofort alles gut wird. Das wäre einfach entgegen der Wirklichkeit. George erfährt Liebe, wird bestärkt und ihr wird Mut gemacht. Ich bin sehr zufrieden. George ist 10 Jahre alt und wird sich entwickeln. Wie ihr Leben weiter gehen soll, wird sie selbst entscheiden. Aber die ersten Schritte sind getan und immer nur ein Schritt nach dem anderen.      

Zum Hörbuch:
Die Geschichte als Hörbuch ist grandios gelungen! Die einzelnen Kapitel werden durch musikalische Untermalung getrennt, die eine ganz besondere Wirkung entfalten. Ein großes Lob gebe ich auch noch an den Sprecher Julian Greis weiter. Es schaffte es mit seiner Stimme, dass sich George als Mädchen vor meinem inneren Auge materialisieren konnte. Ich fühlte das gefangene Mädchen, ihre Verzweiflung, ihre Wünsche und auch ihre Hoffnung. Ich kann absolut nachvollziehen, warum die Jury Julian Greis mit "George" als Sieger des Deutscher Kinderhörbuchpreis ausgezeichnet hat.

Fazit:
Mit "George" gibt es endlich ein Kinderbuch, das die vielen versteckten Transgender-Kinder nach vorne holt und sie sichtbar macht. Ein Buch, das an einem Tabuthema rüttelt und das zurecht. Berührend und herzergreifend zeigt es die Schwierigkeiten der betroffenen Kinder sowie die ihrer Familien und dem Umfeld auf. Und doch macht es Mut und ist eine schöne Basis für viele Gespräche, die geführt werden müssen.