Rezension

Eine Hölle, die teilweise ziemlich dröge ist

Die unterirdische Sonne - Friedrich Ani

Die unterirdische Sonne
von Friedrich Ani

Fünf Jugendliche, fast noch Kinder, wurden entführt, verschleppt und nun in einem tristen Kellergewölbe gefangen gehalten. Sie dienen als hilfloses Spielzeug für ihre drei Peiniger, deren pädophile Neigungen in purer Gewalt gipfeln. In ihrer persönlichen Hölle dürfen die unmündigen Opfer weder über ihre Erlebnisse dort „oben“ sprechen, noch sich über ihre Vergangenheit austauschen. Die erlebten Qualen laugen die zarten Pflanzen bis zur Quelle ihrer kindlichen Freude aus und nur die Solidarität untereinander brennt wie eine zittrige Flamme weiter für eine bessere Zukunft.

Der erste Akt ist durch diverse Personenwechsel leider sehr sprunghaft und dadurch in seinem Wesen eher holprig. Es hat schon erhöhte Konzentration gefordert, um die Personen auseinanderzuhalten, was der Spannung leider nicht zuträglich war. Im zweiten Akt flacht die Handlung dann ab, weil die Kinder in ihrer Verzweiflung und Wut zu keiner Auflehnung mehr fähig sind und nur krampfhaft versuchen ihre Würde zu behalten, während sie die Wände anstarren oder sich auf den Matratzen zusammenkauern – Träume und Hoffnungen sind zu diesem Zeitpunkt bereits gestorben. Der Roman punktet hier lediglich mit den schweren Selbstmordgedanken der Jugendlichen, die sich wie bleierne Gewichte über die Zeilen legen. Obwohl in diesem Mittelteil der Höhepunkt der Geschichte zu finden, indem ein Mitglied grob aus ihrer Gemeinschaft gerissen wird, war es für meinen Geschmack der schwächste Abschnitt. Lediglich im dritten Akt scheint es so, als würde der Autor seinen Stil ordnen und die Kinder wie Phönixe aus der Asche aufsteigen lassen. Schade, dass nicht der gesamte Roman so reizen konnte, wie die letzten circa 60 Seiten.

Meine größte Schwierigkeit war es wohl nach einiger Zeit ohne weitere Andeutungen zu den schlimmen Misshandlungen am Ball zu bleiben. Wir Leser wurden teilweise zu den stillen Beobachtern hinter der Kamera, die über der Kellertür hängt, degradiert und haben die gequälten Seelen nur aus der Ferne beobachtet. Da diese sich auf ihren wenigen Quadratmetern nicht entfalten können, wirkte es auf mich wie ein ständiger Blick in den Käfig der Löwen im Zoo. Die Tiere laufen dort auch apathisch im Käfig herum, aber nach einer Weile stumpft das Interesse daran ab. Friedrich Ani hat für mich hier eindeutig zu wenig Input gegeben. Er lässt die Gefangenen sogar Märchen erzählen, die ihr eigenes Schicksal in Metaphern verpacken, da es ihnen verboten ist darüber zu sprechen. Eigentlich ist diese Idee ganz nett, ja sogar philosophisch, aber dadurch nimmt das Buch noch mehr an Fahrt ab und ich konnte mich nach dem langwierigen Trott nicht mehr darauf einlassen, sodass die Wirkung nicht ankam.

Ich könnte mir vorstellen, dass LeserInnen, die selbst schon Kinder oder noch jüngere Geschwister haben für die Thematik sensibilisierter sind und das Kopfkino mit der Angst stärker ankurbelt. Mir persönlich fehlte schlichtweg die entscheidende Benennung des Schreckens. Da es sich aber um ein Jugendbuch handelt, war diese Wahl möglicherweise aber folgerichtig, denn die Wirkung der beklemmenden Situation kann auf junge Leser durchaus erschreckender und fesselnder sein. Die hintergründige Botschaft des Romans, dass man Fremden nicht trauen darf oder gar mit ihnen mitgehen sollte, ist allerdings eindringlich überliefert! In Zukunft werde ich dem Wahl-Münchner jedoch nur in seinen Krimis treu bleiben.

Kommentare

Angelcat kommentierte am 06. März 2014 um 23:02

Der Vergleich mit der Kamera, die nur beobachtet, finde ich richtig gut gelungen. Genauso ging es mir auch. *daumenhoch* :-)