Rezension

Eine leidvolle Kindheit, die mich erschrocken hat.

Schloss aus Glas - Jeannette Walls

Schloss aus Glas
von Jeannette Walls

Jeannette Walls erzählt in diesem Buch von ihrer Kindheit, von ihren drei Geschwistern und ihren Eltern. Ihr Vater ist Alkoholiker und hat meist keinen Job, die Mutter ist Künstlerin und sehr auf ihre „Karriere“ bedacht. Sie leben an verschiedenen Orten, meist in heruntergekommenen, verlassenen Wohnungen oder Häusern, immer auf der Flucht vor der Behörde oder anderen Geldeintreibern. Und doch versuchen die beiden Eltern, den Kindern ein Elternhaus zu schenken, ihnen Träume zu geben und den Glauben an die eigene Kraft nicht zu verlieren.

Letztlich ist dieses Buch die Beschreibung einer leidvollen Kindheit, denn das, was die Autorin erlebt hat, ist wirklich erschüttert. In widrigen Umständen wachsen die vier Kinder auf, versuchen, trotz nie erfüllter Versprechen, das Leben zu meistern und stellen sich immer wieder vor die Eltern, nicht wahrhaben wollend, dass diese ihr Leben ziemlich verkorksen. Der alkoholkranke Vater und die egoistische Mutter schaffen es immer wieder, den Kindern das Leben als großes Abenteuer zu verkaufen und lange dauert es, bis diese Fassade zu bröckeln beginnt.

Doch es steht mir nicht zu, das Leben anderer zu bewerten – dieses Buch erschreckt mich, zum einen wegen der unzumutbaren Umstände, in denen die Kinder aufwachsen, zum anderen aber auch, weil diese Lebensform von den Eltern durchaus selbst gewählt wurde.

So schlimm auch alles war, leider hat Jeannette Walls es durch ihre Schilderungen kaum geschafft, mich zu berühren. Das Buch erscheint mir eher wie eine Aneinanderreihung von Ereignissen, aber leider kalt und emotionslos erzählt, deskriptiv und nicht bewertend. Mir hat aber gerade das gefehlt. Dass Kinder vieles als gegeben hinnehmen, glaube ich gerne, doch bei all dem Leid hätte ich schon gedacht, dass mal ein böses Wort fällt, dass die Geschwister den Eltern Vorwürfe machen. Doch letztlich können sich die Kinder dann doch noch gegen diese Lebensform wehren, indem sie sich von den Eltern lösen und eigene Wege gehen. Und erst hier merkt man, dass jedes der Geschwister eine eigene Art hat, die erlebte Kindheit zu verarbeiten. Jedes Kind geht seinen Weg und trotz allem glauben sie immer noch an die Familie.

Mich hat diese Lebensgeschichte zwar erschrocken, aber leider durch den eher beschreibenden und wenig bewertenden Schreibstil nicht berührt. Ich hatte mich vor allem auch auf eine Auseinandersetzung der Autorin mit der Vergangenheit gefreut, doch diese ist fast gänzlich ausgeblieben. Dennoch lohnt es sich, das Buch zu lesen, denn es zeigt, dass Armut nicht immer weit weg ist, sondern vor allem ganz nah und nebenan – wo man sie vielleicht gar nicht vermutet.