Rezension

Eine Löwin ohne Biss

Die rote Löwin - Thomas Ziebula

Die rote Löwin
von Thomas Ziebula

Bewertet mit 2 Sternen

~~13. Jh. Bei einem Überfall von Wenden auf die elterliche Burg verlieren die 18-jährige Rubina und ihr jüngerer Bruder Waldemar nicht nur ihre geliebten Eltern, sondern auch ihr Zuhause. Sie müssen flüchten und begeben sich nach Magdeburg, wo sie sich Hilfe durch Verwandte erhoffen, doch ihr eigener Onkel jagt sie davon. So sind sie auf sich allein gestellt, und bald schon geraten sie an Domdekan Laurenz, der die Geschwister für seine eigenen Pläne benutzen will, um seine Macht zu festigen und auszubauen. Rubina genannte Runja, lässt er zur Mörderin ausbilden, denn diese ist seit dem gewaltsamen Tod ihrer Eltern vom Rachegedanken beseelt. Schon bald muss Rubina allerdings eine folgenschwere Wahl treffen: das Leben ihres Bruders oder ihrer großen Liebe Pirmin, der Laurenz Rivale ist. Wie wird sie sich entscheiden?
Thomas Ziebula hat mit seinem Buch „Die rote Löwin“ einen temporeichen, rasanten historischen Roman vorgelegt, der das Mittelalter von seiner düstersten Seite zeigt. Der Schreibstil ist flüssig und nimmt den Leser mit in eine lange zurückliegende Zeit. Der Spannungsbogen wird recht schnell aufgebaut und zieht sich wie ein roter Faden bis zum Schluss durch die Geschichte. Die Handlung teilt sich in zwei Perspektiven, die eine dreht sich um Runja und ihre Erlebnisse, Gedanken und Gefühle, der andere behandelt die Sichtweise von Laurenz. So lernt der Leser beide Seiten und auch die Charaktere bestens kennen und hat ein gutes Kopfkino. Der historische Hintergrund wurde vom Autor sehr schön recherchiert und in der Handlung wunderbar eingeflochten. Allerdings stechen innerhalb der Handlung die brutalen Szenen sehr hervor und sind nichts für zarte Gemüter.
Die Charaktere sind sehr differenziert gezeichnet und lassen Raum für eigene Gedanken. Leider können sie in ihrer Darstellung nicht wirklich überzeugen. Runja ist zwar eine selbstbewusste junge Frau, die sich liebevoll um ihren kleine Bruder kümmert und auch schon einiges ertragen musste, doch ihre Rachegedanken machen sie zu einer kalten und eher unnahbaren Person, die sich wenig um andere schert und nur ihre Ziele verwirklichen will. Sie hinterfragt nichts und lässt sich gnadenlos und ohne Widerspruch manipulieren, da fehlt ihr der Kampfgeist, den sie sonst so sehr an den Tag legt, was sie irgendwie nicht echt erscheinen lässt, sie wirkt eher wie ferngesteuert. Durch ihre Art kann sie den Leser nicht für sich einnehmen und eine gewisse Distanz macht sich während des Lesens breit. Auch die Liebesgeschichte zwischen ihr und Pirmin wirkt wenig glaubwürdig, man hat die ganze Zeit das Gefühl, als fehle etwas Grundlegendes. Laurenz ist ein machtgieriger Mensch, der über Leichen geht, um seine Ziele zu erreichen und vor keinem bösartigen Mittel zurückzuschrecken scheint. Aber auch sein Charakter lässt im Laufe der Handlung nach und wirkt irgendwie lahm. Auch die Nebenprotagonisten erscheinen eher blass und können nicht wirklich überzeugen.
„Die rote Löwin“ ist ein historischer Roman, der zwar recht unterhaltsam, aber auch eher kommerziell und seicht daher kommt. Thomas Ziebula hat mit „Der Gaukler“ und „Die Hure und der Spielmann“ bereits zwei ausgezeichnete historische Romane vorgelegt. Wer diese Romane kennt, wird von diesem Buch enttäuscht sein. Der Autor selbst bezeichnet dieses Buch als Experiment. Man kann nur hoffen, dass Thomas Ziebula sich auf seine außerordentlichen Fähigkeiten besinnt und seiner Erzählkunst beim nächsten Roman wieder alle Ehre macht. Leider durchgefallen!