Rezension

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Eine märchenhafte Reise in den Orient beginnt...

Zorn und Morgenröte - Renée Ahdieh

Zorn und Morgenröte
von Renee Ahdieh

Der Inhalt...

An jedem Morgengrauen muss seine Frau sterben. Sterben durch die Hand des kaltblütigen Kalifens von Chorasan. Sharzad hat ihre beste Freundin durch genau jenen Kalifen verloren. Und trotzdem meldet sie sich freiwillig um den jungen Herrscher und König zu heiraten. Denn sie verfolgt einen Plan – sie will nicht sterben, sondern überleben, und genau jenen Mann töten, der ihr ihre Freundin genommen hat. Doch sie muss bald feststellen, dass hinter Chalid mehr steckt, als anfänglich gedacht. Und für jeden Tag Aufschub der ihr gewährt wird, beginnt sie sich Stück für Stück mehr in den jungen Mann zu verlieben, den sie eigentlich aus tiefstem Herzen hassen sollte...

Die Charaktere...

Ich hatte anfänglich Probleme die vielen Personen auseinander zu halten.. Shazi, Shavi, Tarik, Rahim, Chalid... Innerhalb kürzester Zeit strömten unzählige Namen und orientalische Begriffe auf mich zu (Ein hoch auf das Glossar!), dass ich im ersten Moment nur dachte: HÄH?! Nach und nach lichtete sich aber der Nebel in meinem Kopf; ich konnte die zahlreichen Personen auseinanderhalten und mich voll und ganz auf die Geschichte und vor allem die Charaktere einlassen.

Sharzad ist eine sehr starke junge Frau mit einem klaren Ziel vor Augen: Sie will sich an dem Kalifen für den Tod ihrer besten Freundin Shavi rächen. Ich konnte sie anfänglich sehr schwer einschätzen. Sie hatte eine Mauer der Geheimnisse um sich herum aufgebaut, verhielt sich schnippisch gegenüber ihrer Dienstmagd Despina und den Wachleuten und war einfach... etwas anstrengend würde ich sagen. Erst als es langsam aber sicher zwischen ihr und Chalid zu knistern begann und sie sich langsam auf ihn und Despina einließ, wurde sie mir deutlich sympathischer. Man merkte, dass ihre Art nicht arrogant oder böse gemeint war, sondern das einfach zu ihr und ihrem Charakter gehörte. Ja, sie war aufmüpfig. Ja, sie ließ sich nicht gerne herumkommandieren (wer tut das schon?). Aber genau DAS fand ich, machte sie eben aus. Ich mag starke und unabhängige Protagonistinnen, die nicht den Ritter in stählerner Rüstung brauchen um gerettet zu werden. Mal ehrlich: Das Burgfräulein-Image ist doch echt ausgelutscht, oder? Und wer mag keine Charaktere, die eben ein bisschen mehr „Wumms“ haben? Eben! Deswegen hab ich Shazi echt lieb gewonnen. Ich mochte die kleinen Reibereien zwischen ihr und Despina oder Jalal sehr gerne. Und ich mochte ihre Art dem Scheich gegenüber sehr. Von so einem alten Sack würde ich mir auch nichts gefallen lassen! Sie war eben eine kleine Rebellin durch und durch, aber hatte dafür das Herz am richtigen Fleck. Klar, ist ihre Frauenrolle vielleicht nicht ganz so „authentisch“, aber mal ehrlich: Es soll eine Märchen-Adaption sein, also reine Fiktion. Wo ist also das Problem, wenn Shazi keine unterwürfige Ehefrau ist, die dem Kalifen übermäßigen Respekt entgegenbringt und vor ihm kuscht? Ich glaube, genau diese etwas „rotzige“ und respektlosere Art von Shazi, ist das was Chalid an ihr am meisten mochte ;).

Apropos Chalid: Oh man, was hab ich anfänglich mit ihm gehadert. Der Kerl war ja anfangs ein Rätsel auf zwei Beinen. Erst verhielt er sich absolut liebevoll und im nächsten Moment war er eine gefühllose Wand. Diese, auf andere kalt wirkende, Art und die riesige Blase aus Geheimnissen und unausgesprochenen Dingen, die ihn immer umgab, haben es mir schrecklich schwer gemacht, mich wirklich auf ihn einzulassen. Erst zum Ende hin, als endlich aufgeklärt wurde, was es mit den Toden der jungen Frau und Chalids Fluch auf sich hat, hab ich ihn endlich lieb gewonnen. Denn man hat gesehen: Hinter dem kalten Blick verbarg sich nur ein junger Mann, der mit einem vergangenem Fehler kämpfen musste, und das Schicksal einer ganzen Stadt auf den Schulter trug. Eine Bürde, die, wie ich finde, keiner tragen dürfte. Erst Recht kein so junger Mann. Letztendlich empfand ich für ihn nur noch tiefes Mitgefühl und etwas was mal wohl als „zaghafte Sympathie“ bezeichnen kann. Nein, ich kann die zahlreichen Morde nicht nachvollziehen oder sogar dulden, aber ich kann sie nun wenigstens akzeptieren und verstehen, was alles schreckliches dahinter steht. Und die Szenen zwischen ihm und Shazi waren mehr als zuckersüß, dass ich ihm diese ganzen Morde vielleicht auch verzeihen kann. Aber nur vielleicht! ;) Schnell hat man zwischen den beiden gemerkt, dass eine Anziehungskraft da ist, nur versuchte sich beide stets, dieser zu entziehen. Beide eher mit mäßigem Erfolg :D Ich fand es vor allem schön zu sehen, wie sich Chalid Shazi völlig zu öffnen schien, und ihr mehrfach (in wunderschöner Spachgewandheit) sagte, wie sehr er sie mochte. Ich fand die Szenen zwischen ihnen einfach bezaubernd, und bei den beiden ist bei mir auf jeden Fall der Funke übergesprungen; zwar erst zum Ende, aber immerhin!

Jalal war für mich der Held der Geschichte! Ich mochte diesen Kerl einfach total gerne. Charismatisch und charmant wie er war, kann er glaube ich jeden um den Finger wickeln ;) Ich war jedenfalls schon von der ersten Seite an fasziniert von dem jungen Kämpfer, vielleicht gerade weil er der einzige im Palast zu sein schien, der so etwas wie Humor besaß :D. Despina, Shazis Dienstmagd mochte ich auch total gerne. Am Anfang war ich etwas irritiert, dass die junge Frau sich wirklich traute so motzig und tadelnd mit der frisch gebackenen Kalifin Shazi zu reden, aber mal ganz ehrlich: Shazi hat es wirklich mal gut getan eins auf die Nase zu bekommen! Ich fand sie ab der ersten Seite sehr sympathisch und mochte ihre patente und „knallige“ Art sehr gerne!

Die einzigen Charaktere die bei mir wirklich GAR nicht punkten konnten waren Tarik und Jahandar, Shazis Vater. Rahim dagegen fand ich irgendwie cool. Immerhin hatte er im Vergleich zu Tarik ein Gehirn, das er hin und wieder benutze... Tarik mochte ich anfänglich auch noch. Klar er war impulsiv und verhielt sich manchmal wie ein hormongesteuerter und dämlicher Teenie, aber er tat das ja alles nur, weil er die Frau retten wollte, die er liebte. Und das fand ich irgendwie süß :D Aber dann, als er Sharzad „befreien“ wollte und mit sich mit gezerrt hat, ohne auch mal nur zu fragen, was sie von der ganzen Sache hält, hätte ich ihm echt eine klatschen können! Verliebtsein in allen Ehren, aber so behandelt man wirklich niemanden! Scheich Omar hatte leider Recht, als er sagte, dass sich Tarik wie ein Kleinkind benahm, dem das Spielzeug geklaut wurde...

Jahandar war mir auch nicht ganz Geheuer. Ich fand es sehr beunruhigend, wie machtbegierig und gruselig er Stück für Stück wurde.. Die Rettung seiner Tochter rückte dabei immer weiter in den Hintergrund. Trotzdem bin ich gespannt, wie es mit ihm weitergeht, auch wenn ich hoffe, dass ihn ein schlimmes Schicksal ereilt. So böse das jetzt auch klingt :D

Die Geschichte...

...war gut durchdacht und auch durchaus spannend gemacht. Wie gesagt waren es mir anfänglich wirklich viiiiel zu viele Begriffe und Namen. Dadurch hab ich mich eher darauf konzentriert nichts und niemanden zu verwechseln, als der Geschichte gedanklich zu folgen. Zur Mitte hin hat sich das aber deutlich gebessert und ich konnte mich dem orientalischen Flair hingeben. Bis zum Schluss ist der Funke aber leider nicht komplett zu mir übergesprungen... Ich kann es total schlecht beschreiben was mir gefehlt oder was ich verbessern würde, nur ich konnte einfach nicht komplett in die Geschichte eintauchen; aus was für Gründen auch immer. Eine gewisse Distanz zu den Charakteren und dem Geschehen blieb leider bis zum Schluss. Das soll aber nicht heißen, dass ich mich schlecht unterhalten gefühlt habe oder so - ganz im Gegenteil! Ich finde die Geschichte sehr gelungen; nur dieses „Miterleben und Mitfühlen“ war hier nicht ganz so da, wie bei anderen Geschichten die ich bereits gelesen habe. Vielleicht sollte man sich hier wirklich selbst ein Bild davon machen, denn jeder empfindet das ja auch auf andere Weise!

Der Schreibstil...

Ich konnte mich anfangs nur schwer mit der gestelzten Sprache und den sehr bild- und farbreichen Beschreibungen arrangieren. Es wirkte alles so unecht und affektiert auf mich, dass ich mich nur schwer auf die Geschichte einlassen konnte. Ich musste mir immer wieder vor Augen führen, dass dies eben ein Märchen sei, und in Märchen eben so gesprochen wurde :D. Ich denke es ist schlichtweg Gewöhnungssache – ich hab mich letztendlich auch an die Sprache gewöhnt nur anfangs war es eben ein kleines Hindernis. Vielleicht ist sogar der Schreibstil daran Schuld, dass diese Distanz zu den Charakteren, von der ich schon erzählt habe, nicht ganz verschwunden ist...

Das Fazit...

Das Ende hat es für mich definitiv raus gerissen. Die Charaktere haben sich geöffnet, und die Geschichte nahm eine unerwartete und spannende Wendung. Ein Cliffhanger ist natürlich auch mal wieder dabei ;) Der nächste Teil wandert bestimmt bei mir ins Regal und: Ich freue mich sogar schon drauf! Auf jeden Fall ein sehr lesenswertes Debüt mit orientalischem Flair, das einen gut unterhält!