Rezension

Eine melancholische Freundschaftsgeschichte der leisen Art

Und damit fing es an - Rose Tremain

Und damit fing es an
von Rose Tremain

Bewertet mit 4 Sternen

Als Gustav am ersten Tag der Vorschule im Jahr 1948 zum ersten Mal dem weinenden Anton Zwiebel gegenübersteht, gibt er ihm den wichtigsten Rat, den er von seiner Mutter gelernt hat: man müsse sich immer beherrschen. Anton beruhigt sich und zwischen den Jungen entspinnt sich eine Freundschaft, die ein Leben lang halten soll, Durch Anton erlebt Gustav immer wieder Momente eines luxuriöseren Lebens, als das, was er mit seiner alleinerziehenden Mutter in ärmlichen Verhältnissen hat. Doch Gustavs Mutter Emilie ist von dieser Freundschaft wenig begeistert, sind Anton und seine Familie doch Juden, die dort wohnen, wo sie selbst einmal ein schönes Leben hatte, das ihrer Meinung nach durch Juden zerstört wurde, denen ihr Mann damals bei der Flucht half. Doch zwischen Aufopferung und Abhängigkeit erfüllt diese Freundschaft Gustav ein Leben lang mit Glück.

"Mit fünf Jahren wusste Gustav Perle nur eines sicher: er liebte seine Mutter." (S.11)
Das Buch beginnt so anrührend und aus Gustavs Perspektive lernt man eine Frau kennen, die es es zwar hart im Leben hat, aber die es zu lieben wert ist. Langsam jedoch klingen Töne durch, die zeigen, dass Emilie Perle eine eher harte und distanzierte Frau ist und Stück für Stück deckt das Buch ihr Wesen auf, die lieblose Beziehung zu ihrem Kind und die Entwicklung dahin. Trotz der Tatsache, dass Emilie Gustav nie richtig lieben konnte wird aus ihm ein zuverlässiger, unterstützender und treuherziger Freund, der niemals etwas einfordert und sich dadurch leicht ausbeuten lässt. Gustav ist seinem Freund Anton treu ergeben, während dieser im Leben immer alles bekommen hat, was er wollte oder brauchte und trotzdem nie so richtig zufrieden oder glücklich ist. Gustav steht ihm bei und stellt sich selbst immer hinten an. Über die Jahre hinweg merkt er, wie viel ihm Anton bedeutet und dass er dafür auch zu Opfern bereit ist. Ein Teil von Gustavs Leben ist aber auch sein unbekannter Vater, der starb als Gustav sehr klein war. Die Mutter ergeht sich immer wieder in Andeutungen und Heldengeschichten. Doch auch hier wird deutlich, dass die Beziehung nicht ganz so war, wie es zunächst scheint.

Rose Tremain vermag es, die Atmosphäre eines kleinen Ortes in der Schweiz in den Nachkriegsjahren und den folgenden Jahrzehnten einzufangen und zu vermitteln. Die Geschichte selbst ist jedoch ziemlich melancholisch und handelt von einem langmütigen Jungen und später Mann, der trotz des Mangels an Mutterliebe nie verbittert, sondern immer Verständnis für seine Mitmenschen aufbringt. Seine Beziehungen sind geprägt von Abhängigkeit und (emotionaler) Ausnutzung und doch richtet Gustav sich darin ein.

Mich hat diese Geschichte beim Lesen berührt und sie hat Bewunderung für einen Charakter wie Gustav geweckt. Die Geschichte wirkt zart, weil sie niemals aufdringlich ist und dem Leser mit irgendeinem Aspekt der Handlung ins Gesicht springt, sondern das Buch erfüllt die klischeehafte Beschreibung der "leisen Töne" angenehm mit Leben und Schicksalen. Mir hat dieses Buch insgesamt gut gefallen, wenn mir auch manchmal das Ziel oder die Kernaussage unklar waren, an mancher Stelle etwas Spannung fehlte oder mir manche Aspekte der Geschichte zu offen blieben.