Rezension

Eine Ode an die Sehnsucht nach der Heimat

Der Geschmack der Sehnsucht - Kim Thúy

Der Geschmack der Sehnsucht
von Kim Thúy

Bewertet mit 5 Sternen

Den Schutzumschlag ziert ein hübsches Strandverkäufermotiv aus Vietnam, das an eine Postkarte erinnert. Aber noch viel schöner sind die himmelblauen holografisch anmutenden Buchdeckel. Die junge Mãn ist ein Opfer des Bürgerkrieges zwischen Nord- und Südvietnam. Sie wird von ihrer eigenen Mutter weitergegeben, bis schließlich ihre "dritte" Mutter, eine Lehrerin, ihr ein liebevolles Zuhause gibt und eine innige Beziehung aufbaut. Bei ihr lernt Mãn die vietnamesische Kultur kennen und wird auch mit ihrer Küche vertraut gemacht. Um Mãns Sicherheit willen, arrangiert ihre Mutter eine Ehe mit einem älteren Mann, der nach Kanada ausgewandert ist. Er betreibt in Quebec eine kleine Suppenküche. Dort kocht sie und lernt ihre neue Heimat nur durch eine Verkaufsluke kennen. Erinnerungen an Vietnam und an Erlebnisse verbindet Mãn immer mit Geschmackserlebnissen und kocht nun alte Rezepte nach und wird durch das Probieren mit Gewürzen und Zutaten aus der Heimat bald zu einer kleinen Berühmtheit in Bezug auf ihre Kochkunst. Auch lernt sie in der offenen und herzlichen Julie eine wahre Freundin kennen. Durch diese Freundschaft gelingt es Mãn sich zu öffnen und Selbstvertrauen zu entwickeln. Sie baut ihr Restaurant erfolgreich weiter aus. Schließlich schreibt sie ein Buch, reist, trifft andere Köche und schließlich auch Luc. Plötzlich entdeckt sie Gefühle, die aus der Liebe zwischen zwei Menschen heraus entstehen. Ganz anders als in ihrer arrangierten Ehe, aus der sie inzwischen zwei Kinder hat.

Die Sprache klingt ein wenig poetisch, aber auch sehr klar. Kurze Kapitel reihen sich fragmentartig aneinander. Im Geschriebenen verschwimmen die Grenzen zwischen Erinnerung und gegenwärtigem Erleben schließlich zu einem Ganzen. Sprachbeispiele und Gedichte bzw. Liedertexte fließen in die Erzählung mit ein und machen sie erst komplett.

Politische Aspekte laufen im Hintergrund ab. Die Situation in Vietnam wird so hingenommen und man arrangiert sich, indem man auswandert, heiratet oder in ein Gefangenenlager geht.

Die Protagonistin Mãn zeigt die typische Mentalität von Vietnamesen. Sie ist duldsam, arbeitsam und bescheiden. Gefühle werden nicht beschrieben oder gezeigt, selbst wenn sie lacht, hält sie die Hand vor ihren Mund. Alle Emotionen und ihre ganze Sinnlichkeit steckt in ihren Gerichten und kommt schließlich in ihrem Buch zum Ausdruck. " Der Geschmack der Sehnsucht".

 

Dieses Buch entführt in eine fremde Welt mit den Gerichten, Gewürzen und Zutaten der vietnamesischen Küche. Sie zeigt die Freuden im Exil genauso wie die Sehnsucht nach der Heimat.
Ein berührendes leises Leseerlebnis der besonderen Art!