Rezension

Eine schöne Geschichte über "das Anderssein"

All die verborgenen Dinge - Sarah Moore Fitzgerald

All die verborgenen Dinge
von Sarah Moore Fitzgerald

Inhalt:
Als Ned Buckley auf die Nettleborg Secondary School kommt, fällt er auf. Sein Auftreten ist selbstbewusst, er sieht gut aus und dennoch bleibt er ein Außenseiter. Ned sucht keinen Kontakt zu Mitschülern.
Minty hingegen hat einige Freunde in ihrer Klasse. Sie ist eine Mitläuferin. Als sie eines Tages mit ihren Freunden die Landschaft am Fluss zwischen den Bäumen erkundet, die so verlassen wirkt, stößt sie auf einen Wohnwagen. Und auf Ned. Bald schon kommen erst die Freunde und später auch immer mehr Minty alleine an diesen ruhigen Ort und beobachten den Jungen, wie er sich eine Schaukel aus alten Autoreifen baut und seine zwei Pferde pflegt.
Ned hat all das, was Minty in ihrem Leben vermisst: Er denkt nicht daran sich anzupassen. Er genießt die wilde, freie Natur in vollen Zügen. Und er hat keine Eltern, die sich jeden Tag streiten und die kurz vor der Scheidung stehen. Minty bewundert Ned und sucht Trost in der Nähe des schweigsamen Jungen.

Schreibstil:
All die verborgenen Dinge wird aus Mintys Perspektive erzählt, so als würde sie dem Leser von einer Geschichte berichten, die sie vor geraumer Zeit erlebt hat. Durch die Wahl dieses auch lange Zeit ohne wörtliche Rede auskommenden Erzählstils fiel es mir Anfangs schwer in die Geschichte abzutauchen. Im Laufe der Seiten legt sich die distanzierte Sichtweise. Die Charaktere, die gerade zum Anfang nicht so greifbar waren, gewannen an Kontur, die Geschichte rund um Ned und Minty wurde durch das Vorstellen ihrer jeweiligen Lebensverhältnisse fesselnd.
Die Autorin beginnt ihr Buch, indem sie die beiden neuen Mitschüler Ned Buckley und Martin Cassidy in die Klasse kommen lässt. Beide sind in ihrem Aussehen sehr unterschiedlich. Doch beide scheint etwas zu verbinden.
Erster Satz (Buchzitat): Ned Buckley und Martin Cassidy kamen mitten im Winterhalbjahr in unsere Klasse, und am Anfang hingen die beiden immer zusammen.
Dieser Anfang indizierte mir, dass ich eine Geschichte über zwei Jungen lesen würde, die vermutlich in einen Konflikt geraten oder zumindest irgendwie in Verbindung mit Minty gebracht werden würden. Dem war nicht so. Martin wurde anfangs erwähnt, doch bald geriet er aus dem Fokus der Autorin. Er tauchte später auch noch einmal auf, doch nie bekam er eine tragende Rolle in der Geschichte. Das verwirrte mich. Auch im weiteren Verlauf wurden Konflikte aufgeworfen, die viel zu schnell zu einer Lösung kamen. Beispiel: Ned verrät Minty ein Geheimnis und bittet sie um Stillschweigen. Dieses Anliegen erscheint ihm dringend. Minty missbraucht sein Vertrauen vor Neds Augen. Dieser ist sauer, doch nur für den Hauch eines Moments. Danach verbringen beide wieder Zeit miteinander, als wäre nie etwas geschehen.
Der Charakterentwurf ist in diesem Buch sehr gut gelungen. Minty und Ned sind zwei sehr gegensätzliche Personen. Mintys Leben scheint zusehens zu zerbrechen. Der Vater distanziert sich von der Familie, die Mutter flüchtet sich in Lügen und sieht alles durch eine rosarote Brille. Minty hingegen ist die, die realistisch bleibt und die mit den Geschehnissen zu kämpfen hat. Doch keiner nimmt sie wahr, weil keiner das sehen möchte, was das Mädchen sieht. Als Leser fühlt man mit Minty und bittet im Stillen um Gehör ihres Umfelds.
Für Minty gibt es eine sehr naheliegende Lösung. Sie sucht die Nähe des ruhigen und scheinbar ohne Probleme lebenden Jungen, der im Wald lebt und sein Glück in der Natur mit seinen zwei Pferden findet. Es dauert, bis Minty seine Aufmerksamkeit für sich gewinnen kann. Doch gerade dieser „kleine Kampf“ und diese Distanziertheit von Ned, machen die Erzählung so glaubhaft und sorgen dafür, dass der Leser direkt in die Gefühlswelt der Protagonistin eintauchen kann. Auch Ned hat seine Probleme, doch er geht ganz anders damit um als Minty. Minty bewundert und beneidet den Jungen und versucht sich bei ihm abzuschauen, wie man Lebensfreude gewinnt, die ehrlich und echt ist.

Fazit:
All die verborgenen Dinge ist eine schöne Geschichte über das Anderssein mit einer Simplify your life Moral. Die Botschaft, die hier mitschwingt ist, dass Identitäten nicht zwingend fremdbestimmt und dem Zwang der „permanenten Selbstdarstellung“ unterworfen sein müssen.
Mit Ned und Minty begleitet man zwei völlig unterschiedliche Charaktere, die beide ein sehr ähnliches Ziel verfolgen. Beide wollen frei sein von den Zwängen ihres Umfelds.
Auf 240 Seiten verfolgt der Leser hier eine Geschichte, der zwar an Stellen eine Konfliktvertiefung gutgetan hätte, die sich aber durch eine abenteuerliche und ganz besondere Freundschaft ins Herz des Lesers schreibt.
Meine Empfehlung für Pferde- und Naturfreunde und Leser, die eine schöne Botschaft in einer Geschichte lieben.

Buchzitate:
Das Mondlicht schien in mein Fenster, als ich meine Leggins und meine Kapuzenjacke anzog und aus dem Haus ging. Auf Zehenspitzen schlich ich an meiner schlafenden Mom vorbei, zur Tür hinaus - und dann in Richtung Nettlebog.

Ned hat mir sehr viel beigebracht. Zum Beispiel, dass man selbst entscheidet, wie man die Welt sieht. Du allein entscheidest, welche Version der Welt du haben möchtest.