Rezension

Eine sehr lange, gemächliche Erzählung

Swing Time - Zadie Smith

Swing Time
von Zadie Smith

Bewertet mit 4 Sternen

„Es ist ein Leben im Schatten und irgendwann zermürbt einen das.“ (592)

Ein solches Leben führt die Erzählerin des Romans. Als Kind einer Jamaikanerin und eines Engländers fühlt sie sich im London der 80er Jahre, in dem sie ihre Kindheit verbringt, zwar irgendwie fremd, aber doch auch geborgen. In ihrem Viertel sind viele Familien mit Migrationshintergrund. Man bleibt gewissermaßen unter seinesgleichen und lebt in recht geordneten Bahnen. Ihr Vater ist sehr aufmerksam und freundlich, ihre Mutter lebt für ihren Wunsch nach Emanzipation (nicht nur persönlicher, sondern allgemeiner). 
Die Erzählerin ist zwar klug und verfügt über eine gute Beobachtungsgabe, gleichzeitig schwirrt sie aber sehr um sich selbst mit ihren Gedanken und Wahrnehmungen. Sie hat eigentlich nur ein Interesse: Den Tanz. Doch selbst ist sie auf diesem Gebiet nur mittelmäßig begabt und so kann sie nur andere bewundern. Als Kind schließt sie sich einem Mädchen ihrer Ballettgruppe an. Dann wählt sie ohne große Passion einen Studiengang und gerät mehr zufällig in den Job als persönliche Assistentin eines Popstars. Sie betreut das karitative Projekt ihrer Chefin in Afrika mit: Die Gründung einer Mädchenschule. Ein charakterstärkerer Mensch wäre bei dieser Gelegenheit vielleicht auf Identitätssuche gegangen. Sie jedoch treibt nur zehn Jahre an der Seite des Popstars mit, ohne eigene Besonderheiten. Am Ende trifft sie wieder auf das Mädchen aus der Ballettschule.

„Swing Time“ ist ein über 600 Seiten dicker Schmöker, dem teilweise der Rote Faden zu fehlen scheint. Die Story plätschert dahin, die recht persönlichkeitslose Protagonisten nimmt uns mit in ihr Leben, das zwar nicht unbedingt ereignislos ist, aber dennoch sehr unspektakulär.
Das Besondere des Buches liegt wohl gerade in dieser Perspektive. Die namenlose Erzählerin ist ein sehr formbarer, angepasster Mensch. Ein Normalo ohne Ecken und Kanten, der aus seinem Leben erzählt, ohne dabei ein konkretes Erzähl-Ziel zu verfolgen. Nichts an der Geschichte scheint gestrafft oder künstlerisch zurechtgebogen. Aber am Ende fügt sich dann sogar diese scheinbar ziellose Geschichte zu einer runden Sache.

Wer es mag, sich über viele Lesestunden von einer Erzählung tragen zu lassen, und nicht unbedingt Handlungsstärke braucht, ist mit diesem Roman gut bedient. 
Es fließen immer mal wieder interessante Alltagsbeobachtungen und intelligente Kommentare über das Leben ein. 

„Was wusste sie schon von den Wellen der Zeit, die eine nach der anderen über uns hinwegrollten? Was wusste sie schon vom Leben als ständig provisorischem, niemals vollständigem Über-Leben dieses Vorgangs?“ (197)