Rezension

Eine Sommernovelle

Die Badende von Moritzburg - Ralf Günther

Die Badende von Moritzburg
von Ralf Günther

Bewertet mit 4.5 Sternen

Als dieses kleine Büchlein in meinem Briefkasten landete und gleichzeitig die Einladung zur Lesung nach Moritzburg kam, war ich in Gedanken sehr zwiegespalten.

Zum einen freute ich mich sehr darüber, da ich Ralf Günther als Autor mag und gerade von seinem letzten historischen Roman „Die türkische Mätresse“ begeistert war. Zum anderen aber kann ich mit Novellen nichts anfangen. Ich setzt diese immer – egal ob richtig oder falsch – mit Kurzgeschichten gleich und die sind mir immer zu kurz. Ich habe hier immer das Gefühl, das sich weder die Geschichte noch die Protagonisten entwickeln können.

Nachdem jedoch Ralf Günther auf seiner Lesung bereits etwa 1/3 des Buches vorgelesen hatte, wollte ich nur noch eines: weiterlesen. Die Geschichte zu Ende lesen um zu sehen was passiert.

Wie ich bereits in meinem Lesungsbericht geschrieben habe, konnte mir zu allererst der Schreibstil des Autoren begeistern. Mit diesem entstand ein sehr lebendiges Bild der Zeit, der Epoche vor meinen Augen. Es gelang ihm, ein stimmiges Bild der damaligen Verhältnisse, der Zwänge und Konventionen zu zeichnen. Eine Prise Humor, egal ob bei den Gesprächen mit Kirchner oder im Sanatorium mit dem Arzt, lockerte die Novelle auf und sorge bei mir für großen Lesegenuss.

Auch die Beschreibungen der örtlichen Gegebenheiten und der Charaktere des Buches waren ungemein stimmig, detailreich und sehr plastisch. Besonders die Beschreibung der Fahrt mit dem Lößnitzdackel von Radebeul nach Moritzburg ist mir im Gedächtnis geblieben. Beim Schließen meiner Augen habe ich direkt neben Clara gesessen.

Spannung kam beim mir auf, als Clara ins Wasser ging, sich einen Weg durch das Schilf bahnte und in Panik geriet. Ich habe atemlos die Luft angehalten und gespannt gelauscht, was passiert.

Beim Lesen der nicht einmal 122 Seiten merkt man, welche Entwicklung Clara durchläuft. Sie „reift“ in dem Buch von einem Mädchen zur Frau, wird selbstbewusster. All das macht Ralf Günther durch seine Sprache, den Aufbau der Figur und der Geschichte deutlich.

Am Schluss des Buches finden sich noch Erklärungen zum geschichtlichen Hintergrund der Geschichte und das wunderbare Cover rundet das Buch noch ab.

Als ich das Buch zuklappen konnte – musste – war ich wieder hin und her gerissen. Auf der einen Seite war alles erzählt. Aber auf der anderen Seite hätte ich gerne gewusst, wie es weiter geht, was könnte nach der Abreise noch passieren? Ich glaube, hier kann die Fantasie des Lesers in Gang gebracht werden. Oder man belässt es als Leser dabei. Ganz nach Geschmack.

Mein Lieblingssatz in dem Buch ist übrigens keiner aus der Geschichte an sich, sondern die Widmung:

Gewidmet all jenen, die furchtlos lieben.

In diesem Sinne: Danke für die tolle Lesung, danke für das Buch  und danke für den Lesespaß. Vielleicht mag ich ja in Zukunft doch Novellen?

Ich vergebe für das Buch, auf Grund der Kürze und weil ich doch ganz gerne weitergelesen hätte, 4 1/2 von 5 möglichen Sternen.