Rezension

Eine spannende Abenteuergeschichte um ein dunkles Geheimnis

Ein feiner dunkler Riss - Joe R. Lansdale

Ein feiner dunkler Riss
von Joe R. Lansdale

Bewertet mit 5 Sternen

Dewmont, eine kleine Stadt in East Texas ist Schauplatz von Stanley Mitchel junior's Geschichte, die an einem heißen Sommertag im Jahr 1958 ihren Anfang nimmt. Stan, dessen Vater das Dew Drop Drive-In Autokino betreibt, genießt das unbeschwerte Leben eines Dreizehnjährigen, der bis vor kurzem noch an den Weihnachtsmann geglaubt hat. Gemeinsam mit seinem treuen Hund Nub findet er eines Tages bei einem seiner Streifzüge ein vergrabenes Kästchen, in dem sich Briefe und Tagebuchseiten befinden, die von einem ermordeten Mädchen verfasst wurden. Mit Hilfe seiner Schwester Callie und dem alten Buster, ein Farbiger, der für seinen Vater im Autokino arbeitet und früher eine Art Polizist war, versucht Stan dem Geheimnis des Mädchens und dem lang zurückliegenden Mord selbst auf die Spur zu kommen. Schnell wird klar, dass das zunächst harmlos begonnene Detektivspiel ungeahnte Ausmaße annimmt und Stan sich im Mittelpunkt eines ausgewachsenen Kriminalfalls wiederfindet.

Gestaltung, Stil, Leseeindruck (suhrkamp Taschenbuch 2014):
Titel und Cover haben meine Neugierde direkt geweckt. Ich mag die Gestaltung, Schrift- und Motivwahl sehr. Vom Autor Joe R. Lansdale hatte ich bisher noch nichts gelesen, doch bereits der Klappentext versprach eine interessante Lektüre und so ließ ich mich spontan in die Geschichte fallen.

Schon die ersten Seiten bestätigten meine Erwartungen voll und ganz. Lansdale´s Schreibstil ist unglaublich gut, sehr atmosphärisch dicht. Die Orte, Gerüche und Personen, die Lansdale beschreibt, erscheinen beim Lesen direkt und unmittelbar vor dem geistigen Auge. Es gelingt dem Autor scheinbar mühelos den Leser direkt nach Dewmont zu versetzen.
Er spricht die Rassenproblematik der damaligen Zeit an, indem er sie wie nebenbei in die Geschichte einbettet. So spielt Rosy Mae, die schwarze Haushälterin der Familie, eine wichtige Rolle für Stan und später dann auch für die ganze Familie. Auch Buster, der Farbige, der den Projektor des Kinos betätigt und Hausmeisterarbeiten erledigt, ist eine zentrale Figur in Lansdale´s Geschichte.
Das Thema Gewalt spart der Autor ebenfalls nicht aus. So wird Stans bester Freund Richard täglich mit häuslicher Gewalt konfrontiert und Rosy Mae wird von ihrem Partner verprügelt. Die Mitchels hingegen haben das Herz am rechten Fleck. Das Familienoberhaupt Stanley senior ist zwar zuweilen etwas aufbrausend, doch unter dieser rauen Schale verbirgt sich ein warmherziger und ehrlicher Mann, der seine Familie und alle die, die er zu dieser zählt, wie ein Löwe verteidigt. Alle Charaktere haben Ecken und Kanten, ihre Fehler und Vorzüge, was sie unglaublich echt und glaubhaft wirken lässt.

Die zunächst harmlos anmutende Detektivgeschichte, in die sich Stan junior verstrickt, wird mehr und mehr zu einer ernstzunehmenden und gefährlichen Ermittlung, bei der Stan sehr schnell lernen muss, dass das Leben und die Wahrheit oft mit harten Bandagen erkämpft werden muss. Manchmal wurde ich bei der Lektüre an die 1982 erschienene Novelle "Die Leiche" von Stephen King erinnert, was aber keinesfalls störend war.

"Ein feiner dunkler Riss" ist ein Roman mit vielen Nuancen, der den Leser ebenso facettenreich berühren wird. Lansdale kombiniert sehr gekonnt verschiedene Roman-Elemente miteinander, schafft sympathische Charaktere und bösartige Gegenspieler, streut eine Prise Humor und Wehmut mit hinein und setzt das Ganze perfekt und spannungsreich zusammen. Chapeau!

Fazit:
Eine wunderbare Geschichte über das Erwachsenwerden und wahre Freundschaft aber gleichzeitig auch ein spannender Krimi mit überraschenden Entwicklungen. Ein Roman und Krimi, verfasst in einer dichten und bildgewaltigen Sprache, die einige Stunden Lesegenuss beschert. Definitiv ein Lesehighlight und nicht mein letzter Roman von Lansdale.