Rezension

Eine starke Frau

Sie konnten mich nicht töten - Soraya Alekozei

Sie konnten mich nicht töten
von Soraya Alekozei

Bewertet mit 4 Sternen

Soraya Alekozei wurde 1955 in Kabul geboren. Ihre Familie gehörte der intellektuellen Oberschicht an und war politisch aktiv. Soraya ging zur Schule, hatte vor zu studieren und zu arbeiten. Diese Pläne behält sie auch nach der Heirat mit einem Cousin, der zum Studium in Deutschland ist. Die politischen Entwicklungen in Afghanistan, beginnend mit der russischen Besetzung, gefährden konkret ihr Leben und das ihrer Familie, daher wandert Soraya 1979 mit Mann Wali und erstem Sohn Walid nach Deutschland aus. Innerlich bleibt sie zerrissen zwischen beiden Ländern, sie hat den Eindruck, ihr Herkunftsland und ihre Familie im Stich gelassen zu haben, gleichzeitig fühlt sie sich undankbar ihrer neuen Heimat gegenüber. 2005 beschließt sie, als Sprachmittlerin für die Bundeswehr wieder nach Afghanistan zu gehen, ausdrücklich aus dem Wunsch heraus, beiden Ländern zu helfen und zu danken.

Mir hat das Buch einiges über Afghanistan beigebracht bzw. mein vorhandenes Wissen wieder aufgefrischt. Alekozei verschweigt nicht, dass "ihr" Afghanistan das einer Minderheit ist, dennoch zeigt sie, dass es ein weltoffenes Land war, in dem Bildung als hohes Gut galt. Meine eigene Biographie erlaubt es mir nicht, ihre Gefühle und Beweggründe nachzuvollziehen, ich glaube trotzdem nicht, dass ich an ihrer Stelle dem Militär beigetreten wäre. Ihren eigenen Antrieb in dieser Frage schildert Alekozei eindrücklich. Mir fehlt allerdings eine ausführlichere Beschäftigung mit der Frage, ob der internationale Militäreinsatz in Afghanistan grundsätzlich als positiv oder negativ für das Land und seine Bevölkerung zu bewerten ist. So hat das Buch mir die tatsächlich spannende Geschichte einer ungewöhnlichen Frau und ihrer Familie erzählt, ein bisschen was über die Geschichte Afghanistans beigebracht und einiges darüber, mit welchen psychischen Belastungen Soldaten im Einsatz fertig werden müssen. Mir fehlte dabei trotzdem leider eine stärkere Reflektion des "größeren Ganzen".

Den Titel des Buches finde ich übrigens unglücklich gewählt. Er reduziert die Biographie der Autorin auf diesen einen Moment, den Anschlag, bei dem auch sie zum Opfer wird, der aber nicht gezielt ihr galt. Auch wenn hier natürlich ein Fokuspunkt ist, bietet das Buch glücklicherweise einiges mehr.