Rezension

Eine Tragikomödie mit Herz

Ein Hausboot auf der Themse - Penelope Fitzgerald

Ein Hausboot auf der Themse
von Penelope Fitzgerald

Bewertet mit 4 Sternen

Die mittellose Nenna lebt mit ihren beiden aufgeweckten Töchtern Martha und Tilda inmitten einer liebenswerten Gemeinschaft mehr oder weniger gescheiterter Existenzen auf einem mehrerer Hausboote am Battersea Reach. Nenna leidet unter der Trennung von ihrem Mann; eigentlich bräuchte sie jemanden an ihrer Seite. Da wäre zum Beispiel der junge sympathische Maurice, mit dem sie abends auf Deck lange tiefgreifende Gespräche führt, oder der freundliche Richard, in dessen eigener Hausbootehe es gerade auch gewaltig krieselt. Und da ist Tildas notorisch schlechtes Gewissen, von dem sie immer wieder wie von einem hohen Gericht heimgesucht wird und das Tildas Schuld am Weggang ihres Mannes festklopfen will. Und da sind Nennas freiheitsliebende Töchter, von denen vor allem die sechsjährige Tilda stark an Pippi Langstrumpf erinnert, während Pater Watson mit seinen Nonnen ein gutes Pendant zu Tante Prusseliese gibt, immer bemüht, den Themsewasser-gewöhnten Mädchen eine gute Bildung zu verpassen. Und schließlich ist da auch noch die Bootskatze Stripey, die je nach Jagdglück Ratten jagt oder von Ratten gejagt wird. Das Leben der Hausbootbewohner ist nicht immer so idyllisch, wie es sich Themse-Touristen im Vorbeifahren vorstellen. Die Geschichte ist schön. Schön und traurig. Es ist ein liebevoll weichgezeichneter Blick auf das an sich trostlose Leben auf dem Reach, voller Enttäuschungen und gleichzeitig voller Warmherzigkeit.

Es dauerte allerdings ein bisschen, bis ich mit dem Buch warm wurde. Vielleicht ist es einfach die Übersetzung, die von Zeit zu Zeit Holprigkeiten aufweist. Dadurch bleiben manchen Pointen ein bisschen ... nun ja, geheimnisvoll. Insgesamt bemüht sich die Übersetzerin schon um einen offensichtlich dem Original aus den Siebzigern nahekommenden individuellen Stil, der zwar etwas Konzentration beim Lesen erfordert, aber in gewisser Weise authentisch wirkt. Die Figuren sind sympathisch, die Atmosphäre gut beschrieben. Aber immer wieder stolpere ich über die Unzulänglichkeiten einer unpräzisen Übersetzung. Leider werden auch zu viele Fachbegriffe aus der Seefahrt unerklärt verwendet, unter denen man sich als Laie nichts Konkretes vorstellen kann, die aber für das plastische Erfassen der beschriebenen Bilder oder auch für das Verständnis des Handlungsfortgangs wichtig sind, so dass im Kopfkino viele weiße Flecken im Bild bleiben. Aber auch ohne dies ist die Erzählweise der Autorin ein bisschen speziell wenn nicht rätselhaft; immer wieder muss man zwischen den Zeilen lesen; oft hätte ich als Leser die eine oder andere verbindende Erläuterung begrüßt; manches muss man dreimal lesen und ist dann immer noch nicht ganz sicher, wer nun was gesagt und was er damit gemeint hat. Schließlich hat mich aber die Lektüre gepackt, und ich konnte das Buch in einem Tag durchlesen. Was mir nicht oft gelingt.

Insgesamt eine lohnende Lektüre, ungewöhnlicher, als der Titel vermuten lässt.