Rezension

Eine Twitter-Oma packt aus

Ich bin nicht süß, ich hab bloß Zucker - Renate Bergmann

Ich bin nicht süß, ich hab bloß Zucker
von Renate Bergmann

Bewertet mit 4.5 Sternen

Inhalt: Renate Bergmann ist 82, rüstige Rentnerin und eine echte Berliner Schnauze. Sie ist vierfache Witwe und braucht den halben Tag, um alle Gräber ihrer verstorbenen Ehemänner zu pflegen, die alle auf unterschiedlichen Friedhöfen in Berlin beerdigt wurden. Seitdem ihr Neffe Stefan ihr sein altes Mobiltelefon geschenkt hat, treibt sich Renate nicht mehr nur auf Friedhöfen und Beerdigungen fremder Leute herum. Sie hat das Internet für sich entdeckt und unterhält auf Twitter und Facebook tausende Fans. Sie plaudert munter aus dem Nähkästchen und beweist mit viel Witz und Charme, dass sie noch lange nicht zum alten Eisen gehört.

Meinung: Renate Bergmann ist ein unglaublich amüsanter und sympathischer Charakter. Sie erzählt aus ihrem Leben und wie sie versucht sich stets fit zu halten. Mit Berliner Charme und Schnauze schafft sie es, mit der modernen Welt von heute Schritt zu halten. Ihre Anekdoten sind so unterhaltsam, dass man sich das Schmunzeln und gelegentliche laute Auflachen kaum verkneifen kann. Auch die anderen Charaktere, von denen Renate berichtet, sind fein ausgearbeitet und scheinen direkt aus dem Leben gegriffen zu sein. So kann schon mal ein einfacher Shopping-Tag zu einem richtigen Abenteuer werden.

Der Humor ist großartig, da er nicht aufgesetzt oder erzwungen wirkt. Renate Bergmann zeigt darüber hinaus auch einen anderen Blickwinkel auf die Welt von heute. Bei ihren Anekdoten schneidet sie immer wieder auch kritische Themen an und weist mit einem Augenzwinkern immer wieder indirekt auf Missstände in der Gesellschaft hin. Und dennoch sagt sie, dass früher eben nicht alles besser war, wie es sonst gerne von älteren Mitbürgern behauptet wird.

Marie Gruber ist eine wunderbare Sprecherin. Sie passt zu diesem Hörbuch wie die Faust auf’s Auge. Man nimmt ihr die Rolle der Renate Bergmann schon von der ersten Minute an ab. Sie liest mit so viel Gespür für die Pointen, dass aus jedem Gag ein Lacher wird. Vor allem in den schrulligen oder aufmüpfigen Momenten setzt Marie Gruber das Temperament der eigensinnigen Bergmann gekonnt um. Somit lässt sie ein perfektes Bild der alten Dame in den Köpfen der Zuhörer entstehen.

Der einzige Nachteil dieses Hörbuches ist leider dem Medium selber geschuldet. Im gedruckten Buch werden die einzelnen Twittereinträge der Bergmann mit einem Twittersymbol gekennzeichnet und somit deutlich vom Rest abgehoben. Da die alte Dame auf ihre Einträge stets Bezug nimmt und sie somit auch als Aufhänger dienen, sind sie für die Geschichte sehr wichtig. Leider werden diese Twittereinträge als solche im Hörbuch nicht “gekennzeichnet”. Marie Gruber versucht zwar diese Einträge “abgelesen” klingen zu lassen, jedoch reicht das nicht ganz aus, um diese vom restlichen Text abzugrenzen. Dadurch wirken diese Einschübe teilweise recht fehl am Platz. Das ist im Buch deutlich besser gelungen. Leider fallen so auch die eigensinnigen und kreativen Schreibweisen dieser ganzen neumodischen Begriffe weg. Dabei sind Fäßbuck, Zänter und Co ausgeschrieben doch gerade das i-Tüpfelchen. Hin und wieder gibt es auch einige inhaltliche Wiederholungen, die aber nicht weiter stören, denn so etwas verzeiht man einer alten Dame schon mal. Immerhin ist sie schon 82, wie sie selber gerne betont. Das könne man ihr ja sicherlich nachsehen.

Fazit: Ein sehr unterhaltsames Hörbuch mit einer wunderbaren Sprecherin und einer großen Portion Humor.