Rezension

Eine unkonventionelle Familie

Brüder für immer - Rindert Kromhout

Brüder für immer
von Rindert Kromhout

Bewertet mit 5 Sternen

Quentin und Julian Bell wachsen zusammen mit ihrer kleinen Schwester Angelica in den 20er Jahren in Charleston - einem Landhaus in Sussex - bei ihrer berühmten Mutter, der Malerin Vanessa Bell, auf. Ihre ebenso berühmte Tante, die Schriftstellerin Virginia Woolf, und auch die anderen Mitglieder der "Bloomsbury Group" sind häufig zu Gast - in ihrem Zuhause herrscht eine für die damalige Zeit ungewöhnlich freigeistige Stimmung. Der Umgang mit diesen kreativen und modern denkenden Intellektuellen prägt die Kindheit des Bell-Nachwuchses. Sie hören zwar immer wieder von Außenstehenden, dass ihre Familie seltsam sei, doch die Kinder hinterfragen ihre Familienverhältnisse nicht. Für sie ist es normal, dass der Vater in London lebt und regelmäßig mit anderen, neuen Freundinnen zu Besuch kommt, und dass ihre Mutter lieber mit Duncan zusammenlebt als mit ihrem Vater.
Doch eines Tages kommt ein Geheimnis ans Licht, das diese kleine, idyllische Welt in den Grundfesten erschüttert.

Rindert Kromhout hat ein anrührendes Jugendbuch geschrieben. Selbst in heutiger Zeit würde diese Familie nicht als "normal" durchgehen, wie mag das erst in den 20er- und 30er-Jahren auf die englische Landbevölkerung gewirkt haben? Und dennoch beschreibt der Autor die jungen Jahre der Bell-Kinder als unbeschwert und behütet, vielleicht gerade, weil ihre Mutter Vanessa nicht der "Engel im Haus" sein muss, sondern ihrer Leidenschaft freien Lauf lassen kann und dennoch ihren Kindern eine gute und liebende Mutter ist.

Obwohl es sich hier um ein Jugendbuch handelt, und dieses Buch auch definitiv für die empfohlene Altersgruppe geeignet ist, habe ich auch als Erwachsene meine Freude daran gehabt. Man findet viele intelligente Dialoge, in denen oft philosophische Fragen aufgeworfen werden. Es geht um die Familie, das Erwachsenwerden, wie man seinen eigenen Weg findet und wie man sich eine eigene Meinung bildet. Und auch um die Erkenntnis eines Jugendlichen, dass auch Eltern sich nicht immer an ihre eigenen Ratschläge halten, dass auch sie nur Menschen sind und nicht immer alles richtig machen.
Ein jugendlicher Leser liest "Brüder für immer" sicher mit anderen Eindrücken als ein Erwachsener, aber trotzdem liefert dieses Buch mit Sicherheit viele interessante Denkanstöße für alle Altersgruppen. Außerdem zeichnet der Autor auch ein gelungenes Bild der damaligen Zeit, greift politische und gesellschaftliche Umbrüche, wie beispielsweise den Aufstieg des Faschismus und die Auswirkungen der Weltwirtschaftskrise, auf. Diese ernsten, geschichtlichen Hintergründe verpackt er aber altersgerecht und bereitet die Themen deutlich interessanter auf, als es im Geschichtsunterricht der Fall ist.

Obwohl fast alle Figuren dieses Romans reale Personen sind, handelt es sich natürlich trotzdem um einen Roman und nicht um eine Biografie - worauf der Autor auch im Nachwort noch einmal deutlich hinweist. Natürlich hat er viel über diese außergewöhnliche Familie recherchiert, und hinterlässt damit beim Leser auch den Eindruck, dass die Ereignisse sich so (oder zumindest ähnlich) abgespielt haben könnten. Die Charakterzüge und Eigenheiten dieser Personen hat er glaubwürdig dargestellt, alle wichtigen Figuren wirken äußerst lebensecht.

Von mir gibt es eine klare Leseempfehlung - und das nicht nur für jugendliche Leser. Eine gut erzählte Familiengeschichte, die alles Wichtige mitbringt: Verbundenheit und Freundschaft unter Geschwistern, nostalgische und berührende Momente und auch große Konflikte.