Rezension

Eine verkommene Stadt als Nabel einer neuen Welt

Lagune - Nnedi Okorafor

Lagune
von Nnedi Okorafor

Bewertet mit 3 Sternen

In ihrem afrofuturistischen Roman vermischt die nigerianisch-amerikanische Schriftstellerin Nnedi Okorafor Szenen der biblischen Apokalypse mit igbo-mythologischen Elementen ihrer Heimat Nigeria und erinnert dabei extrem an Schätzings Schwarm.

Außerirdische landen im Ozean vor Lagos. Sie reinigen das Wasser, verbinden sich mit den Meeresbewohnern und schicken eine Botschafterin an Land. Diese findet drei Auserwählte, die ihr helfen sollen, die Menschheit auf die anstehenden Veränderungen vorzubereiten: eine Meeresbiologin, ein Rapper und ein Soldat. Alle drei haben besondere Eigenschaften, die der Gruppe helfen, zwischen Außerirdischen und nigerianischem Präsident zu vermitteln. Als die Bevölkerung Lagos von der Ankunft der Wesen erfährt, bricht in der sowieso schon verkommenen und korrupten Gesellschaft das total Chaos aus. Während sich die Menschen nun gegenseitig umbringen oder aus Lagos flüchten, treten vermehrt auch mächtige mythologische Wesen in Erscheinung, für die nun ebenfalls eine neue Zeit beginnt.

Gerade zu Beginn, aber eigentlich das ganze Buch hindurch, wird man an Frank Schätzings ‚Der Schwarm’ erinnert. Die Außerirdischen wählen als Aufenthaltsort das Meer, retten es und beenden sofort dessen Ausbeutung durch den Menschen. Neu und unbekannt sind die igbo-mythologischen Bestandteile der Geschichte. Erschreckend und bisweilen verstörend brutal ist die Schilderung der Gesellschaft in Lagos. Der Roman, der eigentlich ‚Lagos’ heißen sollte, soll wohl eine Liebeserklärung der Autorin an die nigerianische Stadt sein. Was an dieser kaputten Gesellschaft jedoch liebenswert ist, erschließt sich mir nicht. Wohl auch deshalb beginnen die Außerirdischen ihre Reinigung in diesem Schmelztiegel der Eitelkeiten und machen sie zum Nabel einer neuen Welt.

Der Schreibstil ist – sagen wir mal – ungewohnt, was nicht überraschen sollte, ist die Autorin doch Professorin für kreatives Schreiben an der Universität von Buffalo. Ihre Hauptfiguren sind mehr Werkzeuge, erzählt wird die Geschichte einer Stadt bzw. einer Gesellschaft. Man hat den Eindruck, Okorafors Sätze beinhalten mehr Handlung und Bedeutung, als sich beim schlichten Lesen begreifen lässt. Die deutsche Übersetzung bedient sich einer einfachen Sprache. Zuerst dachte ich, dies liegt vielleicht an einem nigerianischen Originaltext und naturgegebenen Übersetzungsschwierigkeiten, aber das Original ist wohl in englisch (‚Lagoon’).

Zusammenfassend ein lesenswerter Roman, bei dem vor allem die Verbindung der afrikanischen Mythologie mit dem Glauben an das Potential einer Stadt, die man vielleicht schon als verloren abstempeln mag, berühren. Der Rest ist ‚so-oder-so-ähnlich-schon-x-mal-gehörtes’ Endzeitszenario mit WWF-Moral und außerirdischer Unterstützung.