Rezension

Eine vielschichtige Geschichte, die weit mehr zu bieten hat als Kämpfe und Tod

Das Lied des Blutes - Anthony Ryan

Das Lied des Blutes
von Anthony Ryan

Schon das Cover des Buches lässt die Geschichte eines Schwertkämpfers vermuten, zeigt es doch den von zwei Händen umfassten Knauf eines Schwertes. Von der Person die das Schwert umfasst kann man nicht viel erkennen, ihre Kleidung lässt jedoch vermuten, dass es sich um einen Ritter oder Edelmann handelt, vermutlich um eben jenen Schwertkämpfer, dessen Geschichte Anthony Ryan im Buch erzählt.

Es soll die letzte Reise des Hoffnungstöters sein, ein Duell, bei dem er sein Leben lassen soll. Und Lord Vernies, der Geschichtsschreiber des Kaiserreiches, soll diesem denkwürdigen Tag beiwohnen. Ein Schiff soll den gefangenen Ordensbruder ans Ziel dieser Reise bringen und Lord Vernies ihn begleiten. Und obwohl Lord Vernies den Hoffnungstöter, Vaelin Al Sorna, hasst, kann er sich dessen Geschichte nicht entziehen.

Es ist ein fast schon klassischer Einstieg, mit dem Anthony Ryan beginnt. Eine Rahmenhandlung, die den Held der Geschichte zurück in seine Vergangenheit führt – nur dass der Erzähler sich noch in der Blüte seiner Jahre befindet und seine Geschichte nicht etwa den Enkeln oder Freunden erzählt, sondern einem Mann, der ihn hasst. Und ebenso wie Vaelin diesen Mann mit seiner Geschichte in den Bann zieht, zieht der Autor den Leser in seinen Bann.

Getragen von den Worten Vaelins selbst wird man an die Seite eines Jungen geführt, dessen Vater ihn ohne Erklärung im Haus des sechsten Ordens zurück lässt. Zu einer Ausbildung, die mehr als einen Jungen den Tod finden lässt und die übrigen fester zusammenschweißt, als es Blutbande je könnten. Bande, die sie und den Leser durch das ganze Buch hindurch begleiten und jeden der Jungen einen kleinen Platz im Herz des Lesers sichern. Denn ohne seine (Ordens-)Brüder wäre Vaelin sicherlich nicht der, der er heute ist.

Schon die Ausbildung der jungen Krieger ist hart und vom Tod überschattet, dennoch bewahrt sich Vaelin stets sein Mitgefühl und seine Ideale – auch wenn er ihnen nicht immer treu sein kann. Es sind allerdings nicht nur Kampf und Tod, sondern auch Intrigen und Machtgier, die den Lauf dieser Geschichte bestimmen. Und während Vaelin noch versucht die Hintergründe zu begreifen, schieben ihn die Mächtigen wie eine Spielfigur über das Feld.

“Das Lied des Blutes” ist damit weit mehr als eine Geschichte von Blut, Tod und Hass. Auch weit mehr als die Geschichte einer einzelnen Figur. Freundschaft, Ehre, Barmherzigkeit und Güte haben in ihr ebenso einen Platz wie jeder der sechs Orden des Reiches. Tatsächlich ist da sogar noch mehr. Etwas, das der Autor gut unter der Struktur seiner Welt verborgen hat: In der Geschichte des Glaubens von Vaelins Volk, in den Grundlagen der sechs Orden, die den Glauben auf ihre Art bewachen (der Weg des Kriegers ist nur einer davon), aber auch in der Geschichte der Ungläubigen, den Anhängern der dunklen Gabe und in den Märchen, die darüber erzählt werden.

Nichtsdestotrotz ist es Vaelins Geschichte. Und mit jedem Abschnitt seines Lebens, den der Lord Vernies erzählt, beginnt man zu ahnen, wie Vaelin dorthin kam, wo er zu Beginn des Buches ist. Denn auch wenn Vaelin weit über sein Land hinaus bekannt ist, ist er doch der Hoffnungstöter, der mehr als einem Mann den Tod brachte. Und wer den Tod seines Liebsten bedauert, wird sich nicht mit den Idealen des Mörders trösten können. Und so wird Vaelin zwar vielerorts Respekt entgegengebracht, der Hass auf ihn wird dadurch jedoch höchstens gemindert (bei manchen Menschen nicht einmal das). Vaelin selbst kann das weit besser verstehen als der Leser, sieht er sich doch selbst trotz all seiner Ideale und Moralvorstellungen als “Mörder” an. Diejenigen, die ihn schätzen und lieben, wissen es weitaus besser.

Es ist eine vielschichtige Geschichte, die Anthony Ryan mit dem “Lied des Blutes” erzählt. Eine Geschichte vom Aufstieg eines Kriegers, die mehr zu bieten hat als Kämpfe und Tod. Eine Geschichte über Kameradschaft und Glaube, ja sogar Liebe – und das, obwohl diese den Ordensbrüdern untersagt ist. Es ist eine Geschichte die mich, einmal in den Bann geschlagen, nicht losgelassen hat, bis ich die letzte Seite des Buches gelesen hatte. Und selbst damit hat mich Vaelins Geschichte noch nicht vollends aus ihren Bann entlassen. Das Ende ist zwar absolut stimmig und passend (eines Kriegers würdig) und tatsächlich sogar ziemlich abgeschlossen, es ist aber auch offen genug, um den Leser über weitere Kapitel nachdenken zu lassen – zum Glück tut dies auch der Autor, sodass man hoffen kann, bald mehr vom “Lied des Blutes” zu lesen.