Rezension

Eine warm erzählte Geschichte, aber ein nicht ganz ausgereiftes Konzept

Swing Time - Zadie Smith

Swing Time
von Zadie Smith

Bewertet mit 4 Sternen

„Hier war Schwäche von Macht ausgebeutet worden: jede Art von Schwäche von jeder Art von Macht – Ortsmacht, Rassenmacht, Stammesmacht, königliche Macht, die vor nichts anhielt, nicht einmal vor dem kleinsten Mädchen. Aber das tut Macht ja überall. Die ganze Welt ist von Blut durchtränkt.“ (S. 435)

 

„Swing Time“ ist das aktuelle Werk (Stand 2017) der englischen Schriftstellerin Zadie Smith.

In ihrem Roman lässt sie ihre Heldin mit ihrer Identität ringen und eine Kindheit durchleben, die Ähnlichkeiten zu der der Autorin aufweist. Als „Mischling“ (Bezeichnung aus dem Roman), das heißt Tochter einer dunklen Mutter und eines weißen Vaters, erzählt sie uns durch die Augen ihrer Heldin, von einem Gefühl der inneren Zerrissenheit und einem permanenten Zugehörigkeitsproblem.

 

Worum geht es genau?

 

Eine Geschichte von zwei tanzbegeisterten Dunkelhäutigen im weißhäutig dominierten England. Zwei Mädchen, die vieles gemeinsam haben und doch einiges trennt. Denn unsere Erzählerin steht immer im Schatten, erst in dem ihrer Mutter, dann in dem ihrer Freundin Tracy und später in dem des Popstars Aimee, für den sie als persönliche Assistentin arbeitet. Doch wenn dieser Schatten verschwindet, muss man sich selbst der Sonne stellen.

 

Dieser Roman legte für mich einen fulminanten Start hin. Bis etwa zur Hälfte fühlte ich mich wahnsinnig wohl mit der Geschichte, ich hatte ein Gefühl für die Protagonistin und ihre Probleme und irgendwann verlor sich dieses Gefühl, genau wie die Geschichte selbst. Sie fühlte sich für mich nicht gut weitererzählt an, als hätte die Autorin selbst die Entwicklung aus den Augen verloren und das nahm mir leider mit der Zeit die Freude und das Identifikationspotenzial mit der Protagonistin.

 

Doch bleiben wir beim Anfang, beim Grundgerüst. Wir haben zwei Freundinnen, eine davon hat ein ausgesprochen großes Tanztalent, die andere würde gern auch so tanzen können, verblasst aber neben ihrer Freundin, die diese Tatsache für sich zu nutzen weiß. Das Schattenmädchen lebt mit einem hellheutigen Vater und einer dunklen Mutter zusammen, er ist liebenswürdig und fast schon zu freundschaftlich, die Mutter ist eine politische Aktivistin, starrköpfig und dominant. Sie lebt ihrer Tochter vor, wie man sich zu verhalten hat und wie wichtig es ist, das „schwarz-sein“ zu verteidigen und bewusst zu leben, sich nicht unterdrücken zu lassen. Zwei wichtige weibliche Figuren in dem Leben des Mädchens, die an ihrer Stelle leuchten. Frauen sind übrigens auch die Hauptfiguren in diesem Roman, Männer sind meistens eher blasse Randerscheinungen.

 

Die Musik spielt eine Rolle, sie verleiht der Geschichte Rhythmus und entlockt ihr einige wundervoll beschriebene Szenen, doch auch sie ist nur Mittel zum Zweck.

Viel eher geht es doch um das Identitätsproblem von einem Mädchen, einer späteren Frau, die nie die Hauptrolle spielt und sogar als Protagonistin im Roman irgendwann leider verblasst.

 

Ihr späteres Leben als Assistentin des Popstars treibt dies auf die Spitze. Sie muss nach Westafrika fliegen, da Aimee, ihre Arbeitgeberin, beschlossen hat, dort eine Schule für Mädchen zu errichten. Und auch hier ist unsere Protagonistin zerrüttet, zerrüttet von dem Gefühl weder schwarz noch weiß zu sein. Für die Engländerin bzw. Amerikaner ist sie die Dunkelhäutige, für die Afrikaner jedoch nur die Amerikanerin. Ein Leben als ewig Zweite.

 

Die Autorin beschreibt eben diese Problematiken wunderbar und sie hat zudem eine sehr bildhafte Sprache, eine teilweise melodische Sprache.

Hätte sie die Strippen der Handlung nicht über einen längeren Zeitraum aus den Händen verloren, wäre dies ein fantastischer Roman geworden. So hat er mir zwar gefallen, mich aber eher angespornt, weitere, möglicherweise doch grandiose, Werke der Autorin zu lesen.