Rezension

Eine zweite Chance für Alyson Noël

Soul Seeker - Vom Schicksal bestimmt - Alyson Noël

Soul Seeker - Vom Schicksal bestimmt
von Alyson Noël

Bewertet mit 3 Sternen

"Die Zeit ist so ungreifbar, so flüchtig geworden - der Tag wird zur Nacht, und die Nacht wird wieder Tag. Rätselhafte dunkle und helle Felder blitzen auf und verschmelzen zu einer Abfolge von glimmenden Bildern, die flackern und funkeln - locken und verführen -, bis ich nicht mehr unterscheiden kann, was real und was Illusion ist. Bis ich nicht mehr zwischen Traum und Wirklichkeit unterscheiden kann - zwischen Gut und Böse."
["Soul Seeker 01: Vom Schicksal bestimmt" // Alyson Noël // S. 197]

Erster Satz:
Als Erstes kamen die Krähen.

Inhalt:
Für die sechzehnjährige Daire Lyons ist das Leben ein Filmset - im wahrsten Sinne des Wortes. Weil ihre Mutter Visagistin ist, reisen die beiden quer um die Welt, von einem Filmset zum nächsten und Daire lernt eines in ihrem sprunghaften Leben genau: Hänge dein Herz an nichts und niemandem! Als sie mit dem Tag ihres sechzehnten Geburtstags jedoch von grausamen Visionen geplagt wird, in denen sie von Krähen und durchscheinenden Menschen verfolgt wird und die Zeit still zustehen scheint, ändert sich für Daire alles: Kurzerhand beschließt ihre Mutter sie bei ihrer Großmutter unterzubringen, die Daire noch nie gesehen hat und die die Mutter ihres mysteriös verstorbenen Vaters ist. Dort angekommen erfährt sie endlich mehr über ihre Visionen, denn ihre Großmutter weiß mehr über Daire als sie selbst. Schnell lernt Daire daher, dass sie nicht die ist, für die sie sich immer gehalten hat und dass sie für Größeres bestimmt ist und schon bald weiß sie, dass es einen Ort gibt, an den sie gehört.

Schreibstil:
Alyson Noël schreibt sehr jugendorientiert und so findet man neben einer eher platten, unschnörkeligen Sprache, abgehackt wirkende und kurze Sätze, die den Leserfluss zwar erleichtern, letztendlich aber einen gewissen Wiedererkennungswert vermissen lassen. Die Geschichte liest sich aber insgesamt sehr leicht und angenehm. Dafür hat das Buch atmosphärisch mehr zu bieten - eine faszinierende Mischung aus Spiritualität und Mystik sorgt für eine gewisse Dichte und eine Spannung, die sich durch die ganze Geschichte zieht.

Meine Meinung:
Manche Autoren hakt man ab, wenn man bereits ein Buch von ihm gelesen hat und es nicht mochte und auch wenn das sicherlich keine gute Art ist, ist man bei jedem anderen Buch voreingenommen. Zugegeben: So geht es mir mit Alyson Noël seit ich den ersten Band ihrer Evermore-Reihe gelesen und maßlos enttäuscht war. Seitdem wollte ich mit der Autorin eigentlich nichts mehr zu tun haben, aber wie es so ist im Leben, ändert man ständig seine Einstellungen und Wünsche und so kam es dann doch dazu, dass der erste Band der Soul-Seeker Reihe einen Platz in meinem Bücherregal gefunden hat - und am wichtigsten: dort auch vorerst bleiben wird. Zwar hat mich auch dieser Auftakt nicht hundertprozentig überzeugt, dafür aber für kurze Zeit tatsächlich gut unterhalten können. Und nicht nur das: er hat mein Interesse geweckt und mich neugierig auf die Folgebände gemacht. Was es dazu brauchte? Eine interessante, relativ unverbrauchte Idee, spannende Wendungen und eine dichte Atmosphäre!

Besonders hervor sticht da die Geschichte, die leicht esoterisch angehaucht ist und sich in eine spirituelle Richtung bewegt, die mir erstaunlicherweise sehr zusagen konnte. Ich mochte diese mystische Atmosphäre gepaart mit den Phantasieelementen, die sich glaubwürdig in die Handlung einweben. Gerade die Geisttiere, zu denen auf den ersten Seiten kurze Erklärungen stehen, haben der Geschichte eine eigene Note verliehen und im Verlauf der Handlung für einige interessante Momente gesorgt. So gelingt auch der Einstieg sehr leicht und die Neugierde wird sofort geweckt - Daires Visionen sind tatsächlich ziemlich grausig und waren faszinierend dargestellt. Auch was den Hintergrund angeht, hat man hier eine interessante Richtung eingeschlagen, die aber bisher noch etwas unausgereift wirkt. Vermutlich wird man hier in den Folgebänden noch einiges mehr erfahren.

"Ich hab nie darum gebeten, eine Suchende zu werden. Nie um Größe oder Sieg gebeten. Ich bin mehr Lyons als Santos - nicht dafür geschaffen, eine Heldin zu sein. Das Einzige, was ich je wollte, war, ein normales Mädchen mit einem normalen Leben zu sein und an einem Ort seligen Nichtwissens zu leben, wo es keine Monströsitäten - keine aus der Finsternis geborenen Dinge - gibt."
[S. 193]

Die Grundidee ist natürlich schnell erzählt und erfindet das Rad nicht neu - ein Mädchen, dass mit paranormalen Elementen in Berührung und auf eine neue Schule kommt, sich in den gutaussehenden Typen verliebt und so könnte man das Lied ewig weitersingen. "Soul Seeker: Vom Schicksal bestimmt" hat mich hier oft überrascht, weil merklich versucht wurde, Klischees zu widerlegen und nicht zu bedienen. Das wirkt nur manchmal etwas zu aufgesetzt und kam nicht richtig an. Prinzipiell verfolgt nämlich auch dieses Buch das typische Schwarz/Weiß-Schema - es gibt einen bösen Zwilling, der natürlich böses im Schilde führt und einen guten Zwilling, der eine reine und gute Seele
hat. Das war mir ehrlich gesagt etwas zu einfach und ich habe die Hoffnung (und eventuell auch das Gefühl), dass das nicht alles sein kann - es wäre einfach zu einfach! Die Figuren sind ansonsten relativ gut ausgearbeitet und größtenteils sympathisch, obwohl ich Protagonistin stellenweise etwas zu abgebrüht und zickig fand. Positiv anzumerken ist aber, dass sie nicht im Selbstmitleid versinkt und ständig jammert!

Was ich ein wenig schwierig und anstrengend fand, waren die vielen Zeitsprünge. Viele wichtige Ereignisse werden einfach ausgelassen und übersprungen, um dann an einer zukünftigen Stelle im Geschehen wieder einzusetzen. So bleiben einem wichtige Dinge verborgen - die Annäherung der Großmutter zu Daire beispielsweise (An welcher Stelle beginnt Daire ihre Großmutter wirklich zu lieben oder ihr zu vertrauen?). Auch hier hat es sich Alyson Noël etwas zu einfach gemacht und man hätte tatsächlich an anderen Stellen kürzen können, um die wirklich wichtigen Dinge weiter auszubauen. Im Gegensatz dazu gefällt mir die bisher ziemlich unkitschige Liebesgeschichte, die erst gegen Ende wirklich eine Rolle spielt, obwohl Daire natürlich die obligatorischen Träume von ihrem Schwarm hat, aber gut, das ist ein anderes Thema und hat mich nicht allzu sehr gestört.

Fazit:
Vielleicht war es "vom Schicksal bestimmt", dass ich es noch einmal mit Alyson Noël versuche und schließlich entgegen meiner Erwartungen unterhalten wurde und tatsächlich Interesse daran habe, die Reihe weiter zu verfolgen. Zwar wirkt die Handlung stellenweise etwas konstruiert, insgesamt begegnet man aber einer unverbrauchten und interessanten Idee, die Noël geschickt in die moderne Welt einzuweben weiß. Spannende und überraschende Wendungen findet man öfters mal und auch die Figuren sind gut ausgearbeitet, wenn auch teilweise etwas zu unkonturiert. Da kann man nur hoffen, dass sich die Grenzen zwischen Schwarz und Weiß noch ein wenig verwischen und ein wenig mehr Pepp in die Geschichte kommt. Insgesamt aber eine nette und vor allen Dingen unterhaltsame Geschichte für Zwischendurch, die ich gerne weiterverfolgen möchte.