Rezension

Einem geschenkten Gaul...

Geschenkt - Daniel Glattauer

Geschenkt
von Daniel Glattauer

Bewertet mit 4 Sternen

Geschenke sind in der Regel eine feine Sache. Über Geschenke freut man sich doch, oder? Nicht umsonst gibt es so viele tolle Anlässe, zu denen wir etwas geschenkt bekommen – Geburtstag, Namenstag, Ostern, Weihnachten und wer das Glück hat in einer Partnerschaft zu leben zum Valentinstag, Jahrestag oder Hochzeitstag. Manchmal gibt es auch kleine Geschenke außer der Reihe, einfach so. Und die Kehrseite vom Schenken? Nicht das Richtige getroffen zu haben, der Beschenkte freut sich kein bisschen über unsere liebevoll ausgewählte Besonderheit und lässt es uns sogar noch spüren. Oder man bekommt selbst ein unbrauchbares, gedankenloses Geschenk – Ohrringe, wenn man keine Ohrlöcher hat, After Shave als Vollbartträger oder gar ein Buch, welches bereits im Regal steht. Warum also schenken wir so gern bzw. warum gehört das Schenken in unserer Gesellschaft zum guten Ton? Ich habe da so meine Theorien, aber eigentlich soll es hier um Daniel Glattauers neues Buch gehen: Geschenkt. Gerold Plassek arbeitet in Wien bei der Gratiszeitung „Tag für Tag“ eines großen Konzerns und betreut dort vor allem die „bunten Meldungen zum Tag“. Journalistisch ambitioniert kann man ihn nicht gerade nennen. Den Großteil seiner Arbeitszeit verbringt er mit Dösen und Bier trinken, letzteres wird nach Feierabend in der Stammkneipe mit den Kumpels fortgeführt. Frauen findet er schon toll, diese ihn immer weniger und so hat sein Alltag außer Bier und durchzechten Nächste wenig zu bieten. Das erste Geschenk erhält Gerold von einer seiner Ex-Freundinnen und die Freude darüber hält sich bei ihm stark in Grenzen. Die Ärztin Alice geht für ein halbes Jahr nach Afrika und hat ein nachmittägliches Betreuungsproblem für ihren 14jährigen Sohn Manuel. Also nimmt sie den Vater in die Pflicht, Gerold. Nur dass dieser bisher von Manuels Existenz keine Ahnung hatte. Plötzlich muss er sich sein Redaktionsbüro mit einem pubertierendem Teen teilen, dem er sich als Vater nicht offenbaren soll und der ihn offensichtlich für einen Vollidioten hält. Das zweite Geschenk geht eigentlich nicht an Gerold, aber seine Kurznotiz über die finanziellen Probleme eines Obdachlosenheims in dem Gratisblättchen animierte einen anonymen Spender zu einem Geschenk von 10.000 Euro in bar als Soforthilfe. Dem Spendenkuvert war ein Ausschnitt aus den „bunten Meldungen“ beigelegt und bei „Tag für Tag“ wird diese Tatsache sofort groß aufgezogen. Weitere anonyme Spenden gehen ein, Ursache immer ein Artikel an dem Gerold beteiligt ist und plötzlich ist ganz Wien im Spendenfieber. Gerold wird gezwungen sich aus seiner schmuddeligen Komfortzone heraus zu bewegen. Die Geschenke an andere verändern auch sein Leben und er beginnt – wenn auch gezwungenermaßen – wieder Beziehungen zu den Menschen in seinem nahen Umfeld zu knüpfen: zu Manuel, seiner Tochter Florentina, seiner Mutter, der überaus attraktiven und sympathischen Zahnärztin seines Sohnes und zu alten wie neuen Kollegen. Und er gestaltet die Spendengaben durch seine zusammen mit Manuel ausgearbeiteten Sozialreportagen maßgeblich mit. Dann erhält er eine Mail, in der ihm der anonyme Spender mitteilt, dass nur noch Geld für eine einzige Spende übrig sei und verknüpft diese mit einer Bedingung: Gerold soll sich in seiner nächsten Reportage einer Einrichtung für Alkoholkranke widmen.
Ich fühle mich von Glattauers neuem Roman ebenfalls beschenkt. So unsympathisch mir seine Figur Gerold Plassek auch auf den ersten Seiten erschien, umso mehr habe ich ihn während meiner Lektüre ins Herz geschlossen. Beeindruckend unterhaltsam wie zwischen den Zeilen nachdenklich stimmend erfährt Gerold eine positive Entwicklung, die absolut glaubhaft wirkt. Denn er mutiert nicht von heute auf morgen vom nach Bier stinkenden Loser zum perfekten Saubermann. In kleinen Schritten wirkt die Wiener Spendenserie sich auf sein Denken und Fühlen aus. Er erfährt Anerkennung und Wertschätzung für seine Arbeit, ist beeindruckt von seinem neuen Sohn und versucht auch die Beziehung zu seiner Tochter inniger zu gestalten. Die tolle Zahnärztin gibt ihm nicht sofort einen Korb und Gerold beginnt immer weniger an sich selbst zu zweifeln, dennoch ist er sich seiner Schwächen und Grenzen durchaus bewusst und sein etwas lethargischer Charakter verhindert, das er sich im Größenwahn verliert.
Während Gerold also als Figur gewinnt, muss sich die Medienwelt, hier explizit die Printmedien, gefallen lassen, mal wieder den schwarzen Peter zugeschoben zu bekommen. Die Spendenserie wirkt auf die Pressewelt wie der Tritt in ein Wespennest. Im Großen veranschaulicht Glattauer hier das tief verankerte Misstrauen und den Neid der Menschen. Das Gute der Spenden wird zwischenzeitlich ins Negative verzerrt, Geldwäsche und Selbstvermarktung großer Konzerne dahinter vermutet. Fieberhaft versuchen besonders die unseriöseren Blätter die Anonymität des Spenders aufzudecken mitsamt dem Dreck an dessen Stecken. Einzig Gerold scheint die Identität des Geldgebers nicht zu interessieren. Für ihn zählt die Beziehung zu Manuel, zu Florentina und zur schönen Zahnärztin Rebecca, denn das Zusammensein mit ihnen zeigt ihm auf, womit er sich unter der immerwährenden Dunstglocke aus Bier und Schnaps schon abgeschlossen wähnte: Das Leben ist nicht perfekt, aber mit ein bisschen Einsatz, Ehrlichkeit, Humor und der Hoffnung auf Liebe kann es sich jederzeit lohnen.