Rezension

Einer von uns

Einer von uns - Daniel Magariel

Einer von uns
von Daniel Magariel

Bewertet mit 5 Sternen

Endlich haben sie den Krieg gewonnen. Der „Krieg“ ist die Scheidungsschlacht zwischen den Eltern und nun sind die beiden Söhne und der Vater auf dem Weg nach Süden, Hauptsache weg aus Kansas und weg von der Mutter. Sie gehen auf eine neue Schule, der Große spielt vielversprechend Basketball, das Leben könnte endlich wieder in ruhige Bahnen kommen. Doch der Vater ist launenhaft. Immer wieder schließt er sich in seinem Zimmer ein. Es dauert, bis die Jungs kapieren, was dort vor sich geht; wie sehr ihr Vater immer tiefer im Drogensumpf versinkt. Und wenn er rauskommt, ist er unberechenbar. Zwischen liebevoll zugewandt und zerstörerisch brutal. Sollen sie die Mutter um Hilfe bitten? Die Frau, die sie mit gefälschten Fotos beim Jugendamt betrogen haben? Was wird der Vater tun, wenn er davon erfährt? Inzwischen ist sein Verhalten geradezu bizarr und paranoid geworden und er scheint zu allem bereit.

 

Daniel Magariels Debütroman „Einer von uns“ geht unter die Haut und blickt hinter die Türen, die sich neben unseren befinden und die meistens verschlossen bleiben und keinen Einblick bieten. Er zeigt das, was eigentlich niemand sehen und wissen will, was aber doch tagtäglich sowohl in den USA, wo der Roman spielt, aber auch hier bei uns passiert. Innerfamiliäre Gewalt, physisch wie psychisch, ist ein bekanntes Phänomen, schwer zu fassen, da die Eltern und Kinder ihr Verhalten gegenüber der Außenwelt perfektionieren und nach ihren eigenen Regeln leben.

 

Mit subtilem Druckmacht der Vater die Jungs gefügig:

 

«Du kannst auch hier in Kansas bleiben», sagte mein Vater und wandte sich ab, schon halb auf dem Weg zur Tür. «Dann fahren dein Bruder und ich eben ohne dich. »

 

Wenn du nicht für mich oder uns bist, musst du gegen uns sein. Welche Wahl hat ein 12-Jähriger hier schon? Alternativ Verbrüderungstaktiken:

 

«Aber dass sie euch so eine schreckliche Mutter war, das verfolgt mich jetzt schon seit Jahren. Erinnert ihr euch nicht an die Zeit, als ihr noch klein wart? Ehe der Krieg anfing? » Krieg war sein Wort für Scheidung. «Ihr habt das Kind in mir geweckt. Wir haben immer zusammen gespielt. Wir drei, wisst ihr noch? » Ja, dachte ich.

 

Man ist eine Gemeinschaft und muss sich gegen den Feind wappnen. Bisweilen wird die Logik ins Absurde verkehrt; der Vater bringt den Söhnen Schuldgefühle für Dinge bei, an denen sie keine Schuld haben. Aber sie fühlen sich schuldig, obwohl sie brutal verprügelt wurden und üble Verletzungen davongetragen haben:

 

Als ich heranschlurfte, hätte ich am liebsten mein Gesicht verborgen, mich für mein Aussehen entschuldigt. Ich hatte Angst, ihn daran zu erinnern, was er mir angetan hatte. (...)

«Das von gestern ist vergeben und vergessen, klar? »

«Ja. »

«Ich vergebe dir doch immer, stimmt’s? »

 

Der Erzähler durchschaut zwar zunehmend das Verhalten der Eltern, wie sie die Kinder gegeneinander ausspielen, sie als Instrumente für ihre Streitigkeiten missbrauchen und sie immer wieder belügen und betrügen. Aber sie sind nun einmal ihre Kinder. Und als solche lieben sie die Eltern. Egal, was diese tun. Das ist bisweilen unerträglich zu lesen, aber wirkt dadurch authentisch und glaubwürdig.

 

Kein einfacher Roman, aber eine wichtige Geschichte, die erzählt werden sollte.