Rezension

Einfach nur wunderschön

Just One Day - Gayle Forman

Just One Day
von Gayle Forman

Bewertet mit 5 Sternen

Handlung:

Die 18-jährige Amerikanerin Allyson ist gemeinsam mit ihrer besten Freundin Melanie auf einer Tour durch Europa, die ihre Eltern ihr zum Schulabschluss geschenkt haben. In Stratford-upon-Avon, der Heimatstadt Shakespeares und vorletzten Station auf ihrer Reise, trifft Allyson den 20-jährigen Niederländer Willem. Der spielt gerade in einer besonderen Aufführung von Shakespeares “Twelfth Night” mit und lädt die beiden Freundinnen in seine Vorstellung ein. Zwischen Allyson und Willem knistert es sofort und so trifft die zurückhaltende, stets rational denkende Ally eine überraschende Entscheidung: anstatt ihre Reise mit Melanie fortzusetzen, fährt sie gemeinsam mit Willem für einen Tag nach Paris. Die beiden wandern durch die Straßen der zauberhaften Stadt und führen viele lange Gespräche, doch als Allyson nach einer wunderschönen Nacht mit Willem aufwacht, ist dieser verschwunden. Hat er Allyson einfach so verlassen? Ist er tatsächlich so ein Herzensbrecher, wie einige seiner Bekannten in Paris andeuten? Oder ist ihm am Ende etwas zugestoßen? Und die bedeutendste Frage von allen: Wird Allyson Willem jemals wiedersehen?

Eigene Meinung:

Das Cover des Romans ist sehr zurückhaltend, aber passend gestaltet. Auf dem Titel ist ein junges Mädchen zu sehen, das ohne Weiteres Allyson sein könnte; die Haare, die Armbanduhr, der träumerische, aber auch leicht verlorene Ausdruck in den Augen – alles stimmt. Ich mag es, wenn die Gestaltung eines Buches so perfekt auf den Inhalt abgestimmt ist, leider ist das viel zu selten der Fall. Was mir auch sehr gut gefällt, und das stelle ich bei den meisten Originalausgaben des Young Adult-Genres fest, ist die Tatsache, dass das Cover auch der Zielgruppe gerecht wird. Wie oft hat man als deutscher Leser ein schreiend buntes Buch in großer Schrift und mit stereotypem Titelbild in der Hand, mit dem man sich als Erwachsener schon fast nicht mehr auf der Straße sehen lassen kann, weil es einem quasi ins Gesicht schreit: “Ich bin ein Buch für Teenies!” Dabei sind die Werke aus diesem Genre genau das nicht. Sie wenden sich an eine Zielgruppe, die älter ist, als der klassische Jugendbuchleser und somit steht diesen Büchern ein schlichtes, aber stilvolles Cover, wie “Just one day” es besitzt, wesentlich besser zu Gesicht.

Die Handlung wird in der Ich- und Gegenwartsform aus Allysons Perspektive erzählt. Für den Leser macht dies auch den Reiz der Geschichte aus, denn er weiß immer nur genau so viel, wie die Protagonistin selbst und so fiebert man unweigerlich das gesamte Buch über mit und rätselt, ob Willem es wohl ernst mit Ally gemeint hat oder nicht. Überhaupt ist die 19-Jährige eine Figur, mit der man sich gut identifizieren, deren Situation man auch selbst nachvollziehen kann. Schon seit sie klein ist, versucht Allyson stets, die Erwartungen ihrer Eltern zu erfüllen. Deshalb hat sie sich im College auch für alle Kurse eingeschrieben, die sie darauf vorbereiten sollen, Ärztin zu werden. Natürlich ist Allys Vater Arzt, ihre Mutter Krankenschwester und so wird ganz selbstverständlich auch von ihr erwartet, denselben Weg einzuschlagen. Egal, ob dieser Weg sie glücklich macht oder nicht. Auch in der Freundschaft mit Melanie ist sie die zurückhaltendere und nimmt den eher passiven Part ein. Während Melanie sich auf dem Trip durch Europa betrinkt und mit den anderen feiert, bleibt Allyson allein im Hotelzimmer zurück. Nur mit Willem, da fühlt sie sich anders. Mit Willem, der sie Lulu nennt – ein Name, der für Ally bald zum Symbol wird, zum Symbol einer Person, die sie einmal werden möchte. Denn Lulu ist all das, was Allyson nicht ist: spontan, witzig, abenteuerlustig und stark.

Willem hingegen bleibt das gesamte Buch über ein recht undurchsichtiger Charakter. Er ist gut aussehend und charmant, hat stets einen lockeren Spruch auf den Lippen und führt ein Leben, das Allyson völlig fremd ist. Als Schauspieler zieht er schon seit Jahren durch die Lande, in seiner Heimat Holland war er zum letzten Mal vor über 2 Jahren. Das lässt ihn zwar anziehend und interessant, aber auch unglaublich mysteriös erscheinen. Er gibt nur wenig von sich preis und scheint in Paris auch mehr als eine Frauenbekanntschaft zu pflegen. Da ist zum Beispiel die unglaublich schöne Clubmanagerin Céline, die Allsyon mit Ablehnung begegnet oder das Mädchen im Café, das Willem von früher zu kennen scheint und ihm wie selbstverständlich ihre Telefonnummer zusteckt. Nur ganz selten sieht man seine wahren Gefühle durchblitzen und das sind Momente, die zu Tränen rühren, zum Beispiel, wenn er seiner Lulu erklärt, was für ihn der Unterschied zwischen “to fall in love” und “being in love” ist.

- “Being in love is a birthmark?” I joke as I retract my arm. But my voice has a tremble in it, and the place where his wet thumbprint is drying against my skin burns somehow.
- “It’s something that never comes off, no matter how much you might want it to.” (Seite 64)

Dennoch ist es nicht weiter verwunderlich, dass für Allyson nach dem einsamen Aufwachen am nächsten Morgen feststeht: Willem hat sie verlassen. Wer nun denkt, die Geschichte sei damit beendet, der irrt sich. Denn genau hier beginnt die wahre Haupthandlung. Es ist die Geschichte einer todtraurigen Allyson, die sich durch ihr erstes Collegejahr quält und versucht, nach diesem harten und grausamen Fall wieder aufzustehen. Von vielen wird sie dabei nur belächelt, schließlich hat sie nur einen einzigen Tag mit Willem verbracht; andere hingegen werden in dieser Leidensphase zu wirklichen, ehrlichen Freunden. Vor allem Dee, ihr Partner in ihrem neuen Shakespeare-Kurs, ist mir dabei richtig ans Herz gewachsen. Von ihm ermutigt fasst Allyson endlich einen Entschluss: Sie muss Willem finden und sie muss wissen, warum er sie in Paris einfach zurückgelassen hat. Und auf dieser Suche nach ihm, findet Ally noch etwas viel Wichtigeres; sie findet zu sich selbst zurück.

He showed me how to get lost, and then I showed myself how to get found. (Seite 367)

“Just one day” ist ein typisches Gayle Forman-Buch, das nicht von Actionsszenen oder großen Showdowns lebt. Es ist ein Roman der leisen Töne und diese leisen Töne sind es, die die Autorin in Perfektion beherrscht. Die Charaktere sind durch die Bank glaubwürdig, egal ob Protagonist oder Nebencharakter. Jeder hat seine Stärken und Schwächen, es sind keine Übermenschen, sondern Menschen wie Du und Ich. Außerdem gibt es, wie auch in “If I stay” und “Where she went” unglaublich viele Gespräche. Die mögen für einige Leser vielleicht langweilig anmuten, für mich machen sie aber den Kern dieser Bücher aus. Es sind so wundervolle Gespräche und Gedanken über die Liebe, über Freundschaft, über das Leben. Worte, die einen tief im Inneren berühren, weil sie das ausdrücken, was man selbst nicht auszusprechen vermag: 

Maybe this is just life. When you open yourself up to it. When you put yourself in the path of it. When you say yes. (Seite 367)

Und so ist auch das Ende des Romans ein leises, es gibt keinen großen Paukenschlag. Ja, es lässt sich nicht einmal genau sagen, ob es ein gutes oder ein schlechtes Ende ist. Ich weiß nur, dass es zum Rest der Geschichte passt und dass es mich wünschen lässt, die Fortsetzung sei bereits erschienen.

Fazit: ein zarter Roman über die Liebe, der sich zu einer Geschichte über den beschwerlichen Weg zu sich selbst entwickelt