Rezension

Einfühlsame Hommage an die Wunder des Lebens.

Die Welt voller Wunder - Pearl S. Buck

Die Welt voller Wunder
von Pearl S. Buck

Bewertet mit 4.5 Sternen

Rann Colfax ist ein hochbegabtes Kind, ja fast schon ein Genie. Mit drei Jahren will er rechnen und lesen lernen, beginnt alles aufzusaugen, was ihm an Wissen vermittelt wird. Die Mutter steht dem immer etwas skeptisch gegenüber, aber insbesondere der Vater, selbst Hochschulprofessor, erkennt in Rannie den aufgeschlossenen und wissbegierigen Jungen, der immer mehr verlangt und dabei aus dem Staunen über das Leben und seine Wunder nicht herauskommt. Er ist es, der Rannie einer besonderen und ganz persönlichen Förderung unterzieht und der schließlich mit ihm eine Weltreise plant. Kurz vor Reiseantritt stirbt jedoch der Vater und Rann – inzwischen siebzehnjährig - will sich allein auf diese Reise begeben. Eine Reise, die ihm viel Unbekanntes zeigt und ihn verändern wird. Eine Reise, bei der der stets einsame Rann auch die Liebe kennenlernt.

„, Du wirst oft verletzt sein, denn du liebst die Schönheit und Ordnung in allem, was du tust, aber die Menschen sind nun einmal nicht immer schön und ordentlich. Sie werden nicht immer so sein, wie du es dir wünschst. Sei also zufrieden, wenn sie zumindest ehrlich sein können zu dir und du die Möglichkeit hast, sie verstehen zu lernen, so wie sie sind. Du darfst dich davon aber nicht aufsaugen lassen und musst der Mensch sein, der du selbst zu sein wünschst. Auf diese Weise wird eines Tages jemand – irgendwo – deines Weges kommen und die beweisen, dass alles Schöne auch gut ist, und wenn dieser Mensch dir begegnet, wirst du ihn erkennen, denn du wirdt zuvor schon viele andere kennengelernt haben und bereit sein für die dauerhafte Beziehung, die, für sich genommen, die tiefste Zufriedenheit für den Menschen bedeutet.'“ (S.320/321, Brief des Vaters an Rann)

Dieser Roman der Nobelpreisträgerin (1938) Pearl S. Buck (1892-1973) wurde im Jahre 2013 erstmals veröffentlicht. Das lang verschollene Manuskript wurde erst 2012 zufällig entdeckt. Es handelt sich um den wohl letzten Roman der Autorin vor ihrem Tod. Für mich ist es der erste Roman von ihr, den ich gelesen habe. Und ich bin sehr beeindruckt von ihrer warmherzigen, ruhigen, leichtfüßigen und eindringlichen Schreibweise. Ich mag die leisen Tönen, die angeschlagen werden und sich zu einem wunderbaren orchestralen Werk entwickeln, wenn auch einem bis zum Schluss gedämpften. Hier gibt es keinen Paukenschlag, sondern kontinuierliche Aufs und Abs - wie das Leben so spielt und fließt. Dieses Dahinfließen hat allerdings auch manches Mal zur Folge, dass es eher vor sich hin „plätschert“ und dadurch einige Längen aufweist. Das ist allerdings nicht weiter dramatisch und nur ein kleiner Kritikpunkt.

Die Geschichte dieses Wunderkindes wird aus seiner Sicht erzählt und so merke ich als Leser bald, wie unheimlich schwierig es ist, mit solchen Begabungen das Leben zu meistern. Man sollte meinen, das fällt dann besonders leicht. Aber genau dem ist nicht so, denn insbesondere die Frage nach dem Platz im Leben und nach seiner Bestimmung mit eben jenen besonderen Begabungen ist eine, die sich Rann am meisten stellt. Und soziale Kontakte zu knüpfen ist ebenfalls nicht ganz einfach für den Einzelgänger, obwohl er doch sehr aufgeschlossen scheint und im Grunde seines Herzens nach Nähe sucht. Umso wichtiger scheint es, die liebenden, sanftmütigen Eltern stets im Hintergrund zu wissen. Als Halt. Und als Energiequell.

„Ja, sein Geist war ein Warenlager, ein auf Leben programmierter Computer, Minute um Minute, Stunde um Stunde, Tag und Nacht. Er vergaß nichts, sei es nützlich oder nutzlos. Nützlich! Aber wofür? Wen kümmerte die Frage, wen kümmerte die Antwort. Es reichte, so zu sein, wie er war, er selbst, in jedem Augenblick lebendig allem und jedem zugewandt.“ (S.337)

Auch die tiefe Verbundenheit der Autorin zu China (sie verbrachte dort ihre Kindheit) kommt eindrücklich zum Ausdruck in diesem Roman, Kulturunterschiede werden liebevoll aufgezeigt und lassen mich manches Mal staunen.

Fazit: Mein erster Roman von Pearl S. Buck, der mich beeindruckt und mir sehr gefallen hat! Einfühlsam, warmherzig, klug – eine wunderbare Hommage an die Wunder des Lebens.

„,Eines Tages blicke ich auf dieses ganze Leben vielleicht wie auf eine Seite aus meiner gesamten Existenz zurück […] mit der Einsicht, dass es Wahrheiten gibt, deren Ursachen wir nicht ergründen können... Vielleicht ist das überhaupt das Wichtigste – dass die Welt für uns immer voller Wunder ist.'“ (S.367)

Kommentare

wandagreen kommentierte am 16. Februar 2018 um 18:38

Da hat jemand Pearl entdeckt! Sehr gut! Ich habe so gut wie alles von ihr gelesen. Plant Bi eine Asienreise? Dann wisse: China hat sich verändert!

gst kommentierte am 17. September 2021 um 16:58

Deine begeisterte Rezension zeigt, dass Du die Autorin noch nicht kennst. Dieses Buch ist so ganz anders, als das, was ich bisher von ihr kenne. Nicht schlecht, aber es gibt besseres.