Rezension

Emanzipierter Frauenroman

Der Zopf - Laetitia Colombani

Der Zopf
von Laetitia Colombani

Bewertet mit 4 Sternen

Als ich den "Zopf“ das erste mal in den Händen hielt dachte ich: Ein Frauenbuch. Hmm. Erstmal nicht meine Lieblingskategorie. Jetzt nach dem Lesen würde ich immer noch sagen dass es ein Frauenbuch ist, aber muss ich meine Einschätzung dieser Kategorie doch ein bisschen korrigieren.

Dieses hübsche Buch, das in Frankreich bereits unglaubliche Erfolge feierte, ist in drei Handlungsstränge aufgeteilt. Da gibt es einmal die 20 Jährige Giulia, Tochter des Besitzers einer Perrückenfertigungsmanufaktur in Italien, mit der es leider nicht zum besten steht. Dann haben wir die 40 Jährige Sarah, Anwältin in einer großen Kanzlei, Mutter von drei Kindern und somit die klassische toughe Karrierefrau, die sich zwischen Arbeit und Familie aufreibt - bis ihr der Krebs in die Quere kommt. Und als letztes die Inderin Smita, die der Kaste der Unberührbaren entstammt. Ihr größter Wunsch sind Bildung und ein besseres Leben für ihre kleine Tochter. Aber dafür müsste sie die relative Sicherheit ihres Heimatdorfes weit hinter sich lassen.

Der Roman lässt sich schnell und flüssig lesen. Durch die einfache Sprache und die klassischen kleinen Cliffhanger am jeweiligen Kapitelende fliegen die Seiten nur so dahin. Die drei Hautcharakterinnen sind allein schon durch ihr Alter und ihr Herkunftsland recht unterschiedlich. Doch beweisen sie alle Stärke, Kraft, Mut und einen großen Willen etwas anders, besser, richtig zu machen. Was mich erstaunt hat war, wie viele ernste Themen mit feministischem Hintergrund hier angesprochen werden. In Indien werden zum Beispiel das Kastensystem, aus dem es kaum ein Entkommen gibt und die alltäglichen Vergewaltigungen angesprochen. Auch zum Umgang mit Witwen gibt es ein paar Infos, die mir vollkommen neu und die unglaublich interessant waren. Dass Frauen in hochrangigen Jobs benachteiligt sind ist bekannt, aber auch das und die Folgen dessen werden angesprochen. Das alles passt sich schön in die Geschichte ein und kommt ohne erhobenen Zeigefinger aus. Über ein Klischee hier und da wie italienische Männer oder berufstätige Frauen kann man da leicht hinwegsehen.

Was mir sehr positiv auffiel war, dass der Roman ohne raumgeifende Liebesgeschichte und rosarote Romantik auskommt. Ja, es gibt eine kleine Romanze am Rande, aber die bleibt konsequent Nebenhandlung. Im Fokus stehen immer die Frauen und ihre Lebensgeschichte.

Kritisieren muss ich allerdings die Geschichte von Sarah, bei deren Krebserkrankung ihr Job zu sehr im Vordergrund stand. Ihre Sorgen um ihren beruflichen Werdegang waren stärker, als die Sorgen um ihre Gesundheit und um ihre Kinder. Das erschien mir doch sehr überzogen. Klar ist berufliche Sicherheit wichtig, aber dass das die größte Sorge ist, wenn man selbst die eigene Mutter an Krebs verloren hat, kann ich mir einfach nicht vorstellen. Hier tritt die realistische Umsetzung hinter dem zurück, was der Autorin wichtig war zu zeigen. Oder was sie in der Lage war zu zeigen.

Der Zopf bietet leichte Unterhaltung verflochten mit ernsten Themen wie Krebs, Diskriminierung oder nicht vorhandenen Bildungschancen. Ich würde sagen, hier hat sich er Frauenroman emanzipiert. Aber auch wer einfach eine mutmachende, interessante, spannende und rührende Geschichte lesen möchte, ist hiermit gut bedient. Ein gelungenes Debüt.

Kommentare

wandagreen kommentierte am 18. März 2018 um 18:21

"Der Frauenroman hat sich emanzipiert ... " , das wäre schon mal ein sehr gutes Resultat!

katzenminze kommentierte am 18. März 2018 um 20:19

Das dachte ich auch. :)

LySch kommentierte am 18. März 2018 um 23:25

Deine Rezi lässt ein echt schönes Buch anklingen, das sogar etwas Tiefgang mitbringt! Leider fand ich die Leseprobe null ansprechend, ich kam mit dem Schreibstil überhaupt nicht zurecht... Nix für mich! ^^

katzenminze kommentierte am 19. März 2018 um 08:36

Macht nix, es wird eh irgendwann verfilmt. Dann kannst du's dir angucken. :D