Rezension

Emotional, ergreifend, echt = mein Herbst-Lesehighlight!

Die Unwahrscheinlichkeit des Glücks - Cynthia Hand

Die Unwahrscheinlichkeit des Glücks
von Cynthia Hand

In der Verlagsvorschau von HarperCollins ist mir dieser Roman sofort ins Auge gestochen: Das Cover ist für mich eines der schönsten, das ich je gesehen habe, was vor allem an der grafischen Umsetzung des Titels liegt, bei dem einzelne Buchstaben durch mathematische Zeichen ersetzt wurden. Dies spielt auf den Inhalt der Geschichte an, in der die Protagonistin eine ausgeprägte Leidenschaft für Mathematik hat. Kennt man den Inhalt (noch) nicht, macht diese Titelgestaltung definitiv neugierig auf den Inhalt.

Auch der Titel an sich ist eine Anspielung auf diese Leidenschaft, indem er mit dem Wort „Unwahrscheinlichkeit“ auf die Wahrscheinlichkeitsrechnung anspielt. Der Originaltitel „The Last Time We Say Goodbye“ ist etwas dramatischer als der deutsche Titel und hat mit dem „Mathe“-Aspekt des Romans nichts zu tun, sondern bezieht sich vielmehr auf den Kern der Geschichte, nämlich dass die Protagonistin versucht den Tod ihres Bruders zu verarbeiten.

Der Verlag hat sich dafür entschieden den Titel in den Mittelpunkt des Covers zu rücken, was ich durchaus für gelungen halte. Im unteren Bildrand sieht man außerdem ein junges Mädchen, das auf dem Rücken liegt und eine Pusteblume – ein Zeichen der Vergänglichkeit – in der Hand hält. Hier soll ganz klar die Protagonistin Lexie dargestellt werden.

Aufgrund des wunderschönen und bis ins kleinste Detail durchdachten Covers und den vielversprechenden Klappentext war meine Erwartung an „Die Unwahrscheinlichkeit des Glücks“ recht hoch und die Angst, dass die Autorin derer nicht gerecht werden kann, war groß. Zum Glück war mir schon nach wenigen Seiten klar, dass diese Angst vollkommen unbegründet ist.

Der Einstieg in die Geschichte, die aus der Sicht der 18-jährigen Protagonistin Lexie erzählt wird, gelingt mühelos. Lexie ist eine sympathische Protagonistin mit Ecken und Kanten. Auch wenn man anfänglich das Gefühl hat, sie entspreche dem Klischee eines Mathe-Genies, wird im Verlauf des Plots deutlich, dass sie viel mehr ist als ein wandelndes Klischee. Durch die Ich-Perspektive, welche durch Tagebucheinträge, Briefe und kursiv hervorgehobene Rückblenden ergänzt wird, fühlt man von Anfang an mit Lexie, deren Welt sich nach dem Selbstmord ihres Bruders auf den Kopf gestellt hat, mit.

Cynthia Hands Schreibstil ist sehr flüssig, ansprechend, aber nicht anspruchsvoll und überzeugt vor allem durch einen sensiblen Umgang mit den richtigen Worten. Was diese Geschichte aber allen voran ausmacht, ist ihre Authentizität. Von Anfang an hat man das Gefühl, man liest eine wahre Geschichte und keinen Roman. Nichts wirkt konstruiert oder gekünstelt. Vielmehr gelingt es Cynthia Hand eine ernsthafte Thematik – den Selbstmord eines geliebten Menschen – einen Rahmen zu geben, der den Leser trotz aller Schwere des Stoffes nicht bedrückt. Dies gelingt ihr durch die Verbindung des Themas mit einer zarten Liebesgeschichte und an den richtigen Stellen eingesetzen Humor. Obwohl ich während des Lesens so manches Mal mit den Tränen zu kämpfen hatte, ist es insgesamt ein positiver Roman, der den Leser nicht runterzieht sondern vielmehr aufzeigt, dass es Wege gibt mit solch einem Schicksalsschlag umzugehen, auch wenn das anfangs unmöglich scheint.

Liest man Cynthia Hands Danksagung klärt sich auf wie sie derart authentisch über die Themen Trauer, Verlust und Schuld schreiben kann: Sie musste leider selbst lernen mit dem Tod ihres Bruders zu leben. Und auch wenn sie betont, dass „Die Unwahrscheinlichkeit des Glücks“ keine Autobiografie ist, war dies für mich der „Aha!“-Moment. Ich denke, man kann nicht derart realistisch über solche Themen schreiben, wenn man keinen Bezug dazu hat.

Mein Fazit: Mit „Die Unwahrscheinlichkeit des Glücks“ gelingt Cynthia Hand ein absolut überzeugendes Debüt im Jugendbuch-Bereich. Wer einen klassischen Jugend-Liebesroman erwartet, wird vermutlich enttäuscht werden. Wer aber bereit ist, sich auch mit ernsten Themen wie Verlust einen geliebten Menschen, Schuld und Trauerbewältigung auseinanderzusetzen, wird von dieser Geschichte durch ihre Authentizität ebenso begeistert sein wie ich. Mein Herbst-Lesehighlight 2015!