Rezension

Emotionale Zeitreise nach Ostpreussen

Die Jahre der Schwalben - Ulrike Renk

Die Jahre der Schwalben
von Ulrike Renk

Bewertet mit 5 Sternen

Frederike, genannt Fritzi, erfährt kurz nach ihrer Hochzeit, dass ihr Mann Ax eine schwere Krankheit hat, die man ihr verheimlicht hat. Während er in Davos im Sanatorium ist, kümmert sie sich um das Gut mithilfe ihres Stiefvaters, der ihr in dieser schweren Zeit eine Stütze ist. Als Ax stirbt, hat sie keine Wahl, sie muss das Gut ohne eigenes Vermögen weiter bewirtschaften. Dann lernt sie Gebhard zu Mansfeld, genannt Gebbi kennen und ganz langsam beginnt sie wieder an Glück zu glauben…

Nach dem Roman „Das Lied der Störche“, dem ersten Band der Ostpreußen-Saga ist der zweite band der Trilogie „Die Jahre der Schwalben“ erschienen. Schon vom ersten Augenblick war ich sofort wieder mitten im Geschehen und wage zu behaupten, dass man diesen Folgeroman auch sehr gut lesen kann, ohne den ersten Roman zu kennen. Die Autorin versteht es meisterhaft, den Leser zu fesseln, ihn mitzunehmen in eine andere Zeit, in die Zeit der 30iger Jahre und diese so präsent erscheinen zu lassen, dass man sich als Leser mitten im Geschehen befindet, die Rolle des stillen Betrachters innehat.

Wichtige Details des Vorgängerromans fließen gekonnt und sehr stimmig in die Geschichte ein, Charaktere entwickeln sich weiter und erhalten von Ulrike Renk auch den entsprechenden Freiraum dazu. Aber nicht nur die Charaktere sind erwähnenswert, auch der typische  ostpreußische Lokalkolorit, besonders dargestellt durch die Bediensteten. Der Leser spürt, dass sich die Autorin sehr intensiv mit den Personen auseinandergesetzt hat und hervorragend recherchiert hat,  die erzählte Geschichte nach Gesprächen mit Zeitzeugen entstanden ist. Sehr gut und vor allen Dingen sehr detailliert sind auch die einzelnen Handlungsorte beschrieben und man kann sich als Leser sehr gut vorstellen und hineinfühlen, wie die Güter und auch das Leben damals ausgesehen hat.

Sehr ausführlich und aus den verschiedenen Sichtweisen der einzelnen Personen beschreibt sie den politischen Wandel der krisengeschüttelten Weimarer Republik zu Aufstieg und Herrschaft des Nationalsozialismus, lässt auch die häufiger werdenden antisemitischen Anfeindungen einfließen, Repressalien, sowie am Rande angedeutet, einen Putschversuch durch einige Gleichgesinnte, die die Zerstörung des Rechtsstaates missbilligten und  die Methoden des NS-Regimes verabscheuten.

Es ist ein sehr emotionaler Roman voller Lebendigkeit, packend, fesselnd und so spannend geschrieben, dass man ihn am liebsten nicht mehr aus der Hand legen möchte und hat damit alles, was ein guter Roman in meinen Augen haben sollte.