Rezension

Endloses Geschwafel

Im Schatten des Berges
von Gregory D. Roberts

Bewertet mit 2 Sternen

Es kommt selten vor, dass ich ein Buch abbreche. Ich mag dicke Bücher und ich habe kein Problem mit vielen, vielen Protagonisten, das letzte in der Art, das ich las, war "Geister" von Nathan Hill, vom dem ich begeistert bin. Aber "Im Schatten des Berges" hat mir nichts zu bieten, nach der Hälfte ist Schluss. Lest nach, warum!

Lin, Shantaram genannt, möchte aus der kriminellen Sanjay Company aussteigen. Dass dies nicht ganz einfach sein wird, kann man sich denken. Das Ganze spielt im früheren Bombay und das Beste, was ich von diesem Roman sagen kann, ist, dass man das Menschengewusel der Großstädte in Indien wirklich gut nachvollziehen kann. Atmosphärisch ist der Roman gut aufgestellt.

Ob der Autor aber auch gut schreiben kann, muss jeder selber beantworten, der das Buch liest. Ich meine, er hat einen zähen Plot entwickelt mit zahlreichen Verästelungen und einem Irrenhaus an Personal, einer Staffage, die für die Handlung unerheblich ist.

Lin will aus der kriminellen Vereinigung aussteigen und trifft seine alte Jugendliebe wieder. Seine derzeitige wird glücklicherweise vom Autor (für den Leser schmerzlos) entsorgt. Dass Lin die aktuelle Liebe eigentlich nicht liebt und dann doch und dann doch wieder nicht, weil er immer und ewig nur Karla liebt, ist nur einer der ärgerlichen Punkte des Romans. Das Paar Karla/Lin ist nämlich unerträglich langweilig.

Was dem Roman abgeht und was ihn letztlich nichtssagend macht, sind die fehlenden Personenzeichnungen. Keiner dieser Hunderte von auftretenden Personen hat ein Leben. Sie bekommen schnell einige Eigenschaften verpasst und verschwinden wieder. Es ist viel Bewegung im Roman, alle laufen, fahren, rennen, gewissermaßen sinnfrei von A nach B nach C, D bis Z.

Ich habe 500 Seiten gelesen und es passiert nichts. Dh. natürlich passiert was, man wechselt die Lokalitäten, trinkt und dealt und dröhnt sich voll und ist voller wichtiger Scheinaufträge und Scheinaktivitäten. Aber nichts davon ist wesentlich, der Zug fehlt. Es ist beliebig.

Der Erzählstil ist sehr pathetisch und personalisiert quasi alles, das Licht, den Wind, die Jahreszeiten, die Natur. Der Autor flicht pseudophilosophische Betrachtungen und Lebensweisheiten in seine Erzählung ein, die, bei Licht betrachtet, hohle Nüsse sind.

Eines versteht der Autor perfekt: er sagt mit vielen Worten gar nichts.

Fazit: Ein ziemlich hohler Roman mit viel Blendwerk. Ich habe nach 500 Seiten das Handtuch geschmissen.

Kategorie: Unterhaltung
Verlag: Goldmann, 2017

Kommentare

Naibenak kommentierte am 15. Februar 2017 um 20:29

Danke für deinen Eindruck! Du hast die Kritikpunkte sehr gut veranschaulicht! Muss ich also nicht lesen... wie schön ;-)