Rezension

Entourage eines Popstars

Swing Time - Zadie Smith

Swing Time
von Zadie Smith

Bewertet mit 5 Sternen

Ich finde dieses Buch sehr gelungen. Manche rügen, dass es keine rote Linie hätte; dass es alles und damit nichts behandele; aber es beschreibt, wie es ist, um einen Popstar zu sein und die Ausgenutzte zu sein, die keinen Namen hat, weil es davon zu viele gibt, um sie namentlich zu benennen! Hei, Leute, das müsst ihr erst mal blicken!

In den ärmeren Vierteln Londons wachsen zwei gleichaltrige farbige Mädchen auf, Tracey und die namenlos bleibende Erzählerin. Während sich viele Menschen in ihrer Umgebung resigniert in ihr Schicksal von Bildungsferne, Benachteiligung, Chancenlosigkeit, etc. ergeben, versuchen diese beiden, einen Kampf gegen die scheinbar vorprogrammierte Niederlage zu führen. Das emotionale Band zwischen ihnen, verliert über die Jahre hinweg nichts an seiner Festigkeit.

Tracey, die als Kapital die Fähigkeit zum klassischen Tanz mitbringt, wird zuhause verhätschelt, aber auch allein gelassen mit den ernsten Problemen des Lebens, die Erzählerin wird auf rationale Weise gefördert, Bildung ist das nachhaltige Mittel auszubrechen, vermittelt ihre politisch wache Mutter und sorgt für eine Universitätsausbildung. Dennoch wird gerade die Erzählerin eine Sklavin moderner Arbeitsverhältnisse, sie arbeitet als Personal Assistant für einen Popstar und wird psychisch und physisch ausgenutzt.

Die Globalisierung der Welt ist von Smith anhand des Popstarlebens als Arbeitgeber der Erzählerin breit aufgefächert, da ist alles drin. Ähnlichkeiten zu Madonnas Leben drängen sich auf! Sämtliche Protagonisten, und von denen gibt es viele, sind facettenreich, gut vorstellbar, realistisch.

 „Swing Time“ streift fast alle relevanten Problemfelder unserer Zeit: Rassismus, Identitätsfindung, Entwurzelung, Sozialkritik des Kapitalismus, Mentalitätsprobleme, Nachwirkungen des Imperialismus und Kolonialismus, Globalisierung, Religion, Radikalisierung. Alles kommt vor und zeigt die Komplexität der Zusammenhänge. Das ist einer der Vorzüge dieses Romans. Es ist aber auch seine Schwäche, wenn man so will, denn es gibt keinen eindeutigen Fokus, so dass eine vertiefende emotionale Anbindung des Lesers an die Protagonisten ausbleibt. So könnte mancher Leser diesen Roman als einen kühlen Roman empfinden. Ein anderer Vorzug des Buches ist seine geniale Komposition. Es dauert, bis jedes Puzzle an seinem Platz ist und es dauert, bis der Leser die Positionen der Handelnden durchdacht hat, aber dann fängt es einen ein.

Zadie Smith spielt mit Klischees und den Vorurteilen, die wir alle in unseren Köpfen spazierentragen. Welche sind davon berechtigt? Welche Sicht ist die richtige? Gibt es überhaupt eine richtige? Alle von Smith ins Rennen geworfenen Figuren haben eine voneinander abweichende Meinung über das Leben und über die Dinge, die passieren, und jede Meinung ist absolut plausibel. Das ist die eigentliche Stärke von Zadie Smith Erzählung, die eine kalte Welt abbildet. „Money makes problems go away.“ Läuft es darauf hinaus?

Fazit: „Swing Time“ ist originell in seinem Setting rund um einen Popstar, klug und sozialkritisch insgesamt, die Geschichte stellt dar, was ist, nicht, was sein könnte, nämlich das, wovon man in der Zeitung liest. Lesenswert!

Kategorie: gute Unterhaltung
Verlag: Penguin, 2016