Rezension

entspannte Lektüre

Die seltsame Reise mit meinem Bruder - Renée Karthee

Die seltsame Reise mit meinem Bruder
von Renée Karthee

Bewertet mit 4 Sternen

Natürlich hat Nelly geahnt, dass es irgendwann passieren wird, aber warum ausgerechnet jetzt? Gerade jetzt, wo sie mit ihrem Foodtruck in Hamburg auf reichlich Konkurrenz prallt. Da muss man am Ball bleiben oder man geht unter. Und Geduld ist eh nicht ihre Stärke. Nicht in ihrem Job, nicht mit ihrem Mitarbeiter Ashok und schon garnicht mit ihrem autistischen großen Bruder Nils. Aber genau um Nils wird sie sich nun kümmern müssen, denn ihre Mutter ist gestürzt und fällt erst einmal für längere Zeit aus. Er hat so seine eigenen Regeln und die zu brechen, lässt er nicht zu. Also eine Aufgabe für Nelly, die sie so schnell und kurz wie möglich abhandeln will. Klar, dass das so nichts wird.

Meine Meinung

Die Autorin scheint komplizierte Lebenssituationen zu mögen, denn schon in einem anderen Buch, dass ich von ihr gelesen habe, ging nichts einfach mal so zu regeln.
Mit Nelly hat sie eine Person geschaffen, die weiß, was sie will. So zum Beispiel auf keinen Fall heiraten. Und auch keine Kinder. Viel lieber möchte sie neue Rezepte kreieren, um mit ihrem Foodtruck Hamburg zu erobern. Zu Beginn mochte ich Nelly überhaupt nicht, sie war mir zu unflexibel und irgendwie arrogant.
Besonders ihrem Mitarbeiter Ashok gegenüber, der Inder, der sie täglich mit allen möglichen Weisheiten versorgt, und gerne seine eigenen Ideen für Sandwiches und Salate einbringen würde.

Aber Nellys Verhalten ändert sich, als sie über längere Zeit mit ihrem Bruder zusammen ist. Mit seinem Autismus umzugehen fällt Nelly zunächst sehr schwer, aber sie lernt, Kompromisse einzugehen, und man merkt beim Lesen, dass es ihr nach und nach leichter fällt.
Leider geht das Buch irgendwann über in eine Liebesgeschichte, in der Nils nach und nach in den Hintergrund rutscht. Er taucht zwar immer mal wieder auf und gerät natürlich nie ganz in Vergessenheit, aber ich hätte lieber noch mehr über ihn erfahren. Sein Verhalten ändert sich nicht, er hat seinen ganz eigenen Tagesablauf, von dem es ihm kaum möglich ist, abzuweichen.
Bei Nelly ist das anders. Der sehr nahe Umgang mit ihrem Bruder öffnet ihr die Augen und sie steigt damit in meiner Sympathiekurve auf. Die Erkenntnis, dass Familie wichtig ist, egal wie es um sie steht, lässt sie letztendlich lockerer werden und es gibt einige lustige Situationen, die sie jetzt akzeptiert, wo sie vor nicht allzu langer Zeit noch im Boden versunken wäre.

Unterm Strich

Es geht zwar irgendwann nicht mehr in erster Linie um die gemeinsame Reise nach England, sondern um die Liebe, aber trotzdem ist es lesenswert und eine entspannte Lektüre mit einem lachenden und einem weinenden Auge. Zwischendurch wird das Ganze noch mit Rezepten aufgelockert.