Rezension

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Enttäuschend

Das Jahr, das zwei Sekunden brauchte - Rachel Joyce

Das Jahr, das zwei Sekunden brauchte
von Rachel Joyce

Bewertet mit 3 Sternen

Es ist ganz bestimmt nicht leicht, auf einen Bestseller wie "Die unwahrscheinliche Pilgerreise des Harold Fry" ein weiteres Buch folgen zu lassen. Wird man doch immer an dem Vorgänger gemessen, wird doch immer verglichen. Ich habe bewußt zwischen der Lektüre beider Bücher eine größere Pause gelassen, um dem Nachfolger gerecht werden zu können.

 Anfang der 70iger Jahre fährt Byrons Mutter auf dem Schulweg ohne es zu merken, ein kleines Mädchen an. Die daraus entstehende Geschichte ist der erste Strang des Buches. Im zweiten Strang geht es um Jim, der aus der Heilanstalt entlassen, einen Weg ins Leben finden muß. Auch in diesem Buch zeigt Rachel Joyce wieder ihre feinsinnige Art zu schreiben, gibt es wundervolle Szenen und berührende Momente. Die Autorin hat ein besonderes Händchen für Landschaftsbeschreibungen und feinfühlige Charakterisierungen.

Das wären die positiven Seiten eines für mich in großen Teilen enttäuschenden Buches. Da wäre zum einen die hanebüchene Story, die mir im Verlauf immer unwahrscheinlicher erschien, dann das Personal, allen voran die so unglaublich leichtgläubige Mutter Byrons, die sich in ihrer Opferrolle doch arg bequem und schnell einnistet, der hölzerne Vater und seine Zwangsvorstellungen, der beste Freund, der sich als gar nicht so guter Freund entpuppt, aber immerhin noch für eine rührselige Szene am Schluß gut ist und dann der Versuch, noch eine ähnlich überraschende Wendung wie in "Harold Fry" zu vollführen, nur deutlich weniger gelungen. Ich hatte beim Lesen ein dauerhaftes fast körperliches Unwohlsein, der Verlauf war allzu vorhersehbar und mein Mitleid mit der Mutterfigur groß, darf sie doch an keiner Stelle ein wenig Rückgrat und Denkvermögen zeigen. Eine Hausfrau der 50iger, gelandet in den 70igern, offensichtlich ein anderer Stern. Dazu kommen verschwommene Andeutungen eines früheren Lebenswandels, der so gar nicht zur jetzigen Person und ihrer Art zu passen scheint.

Überhaupt wirkte das Buch auf mich verschwommen, zu weitläufig, nicht klar durchdacht. Die Personen agieren wie Marionetten, lassen geschehen, was geschehen muß, um die Handlung voran zu treiben, zeigen aber wenig Eigeninitiative. Definitiv meine erste große Buchenttäuschung des Jahres!