Rezension

Episoden eines Lebens

Unglaublich, Stina - Cora G. Molloy

Unglaublich, Stina
von Cora G. Molloy

Bewertet mit 5 Sternen

„...Ich fühlte mich wie eine Raupe in einem Kokon. Nur ich wusste um den Schmetterling, der in mir war, während alle um mich herum nur die Tarnfarbe meines Kokons sahen...“

 

Stina arbeitet in einer Seniorenresidenz. Sie tut ihre Pflicht, häufig auch mehr, ist aber für andere unsichtbar. Ihr Kinderbild von sich ist das einer schillernden guten Fee. Nun aber ist sie zurückhaltend, beteiligt sich kaum an Gesprächen und gibt nichts Privates von sich preis. Sie ist gefangen im Hamsterrad. Selbst ein Mallorca-Urlaub holt sie nicht aus ihrem Kokon.

Dann aber kommt Roswita, eine neue Bewohnerin, ins Heim. Sie fällt durch ihre freundliche Sicht auf die Welt, ihre Güte und Großherzigkeit auf.

Die Autorin beschreibt wesentliche Episoden aus einem Leben, einem Leben, dass nicht außergewöhnlich ist, aber trotzdem einzigartig.

Der Schriftstil lest sich gut lesen. Kurze Kapitel sorgen für eine zügigen Lesefluss. Stina erzählt ihre Geschichte selbst. Sie lässt mich als Leser einen tiefen Blick in ihr Inneres werfen. Treffende Sprachbilder kennzeichnen die Phasen der Unsichtbarkeit, der Unsicherheit, der Depression. Im Beruf aber hat sie immer funktioniert. Obiges Zitat beschreibt ihren Zustand sehr ausdrucksstark.

Roswita gelingt es, ihren Kokon zu durchbrechen. Stina lernt, die Welt mit neuen Augen zu sehen, sich zu trauen, auch einmal ihre Meinung zu sagen. Was dunkel war, ist nun hell. Selbst einem Mann, der von Liebe spricht, kann sie sich jetzt unverkrampft zuwenden. Doch er ist nicht frei. Stina fällt bewusst eigene Entscheidungen, Entscheidungen für ein selbstbestimmtes Leben, das ihr neue Perspektiven öffnet.

Die Menschen, die Stina begegnen, werden nur selten ausführlich charakterisiert. Entscheidend ist nicht ihre Vergangenheit oder Zukunft, sondern nur, welches Einfluss sie auf Stinas Leben haben.

Wie sehr sich Stina geändert hat, zeigt folgendes Zitat:

"...Ich hatte Freunde, wundervolle, einmalige Menschen, mit denen ich lachen und weinen konnte, die mir Halt gaben, wenn ich ihn brauchte, denen auch ich etwas geben konnte, wenn bei ihnen die Welt mal Kopf stand..."

 

Die Aufmachung des Büchleins ist hochwertig. Jedes Kapitel beginnt mit einer Ein-Wort-Überschrift mit dem Präfix “Un“ und einer stimmungsvollen Fotografie, die zum Thema des folgenden Abschnitts passen.

Das Cover, welches von Schwarz zu hellen Farben wechselt, könnte ein Symbol für Stinas Entwicklung sein.

Die Geschichte hat mir ausgezeichnet gefallen. Dazu hat nicht zuletzt der ausgefeilte und bildhafte Sprachstil beigetragen. Es ist ein leises Buch, was weniger durch Aktionen mehr durch Worte wirkt.