Rezension

Erfrischend anders – vor allem anders als erwartet

Virtuosity - Liebe um jeden Preis - Jessica Martinez

Virtuosity - Liebe um jeden Preis
von Jessica Martinez

Bewertet mit 4.5 Sternen

Das Buch hat bereits mehrmals meinen Weg gekreuzt, bevor ich es wirklich gelesen habe. Zuerst hat mich das Cover sehr angesprochen. Die Farben, die Geige und der verträumte Blick des Mädchens treffen meinen Geschmack sehr genau. Was meinen Geschmack jedoch nicht trifft, sind die Bücher, die sich meist hinter so einem Cover verbinden. So habe ich auch hier einen kitschigen Teenie-Roman erwartet, bei dem die Hauptdarstellerin nur damit beschäftigt ist, ihren Schwarm anzuhimmeln. Nachdem ich jedoch durch Zufall eine Leseprobe in die Hände bekommen habe, wurde auch der Inhalt durch mein kritisches Auge betrachtet. Ich musste feststellen, das zwar die grobe Thematik in die Richtung ging, in die ich das Buch eingeordnet hatte, doch der Schreibstil war alles andere als kitschig und banal. Als ich dann die Möglichkeit bekam, das Buch lesen zu können, habe ich diese ergriffen.
Der erste Eindruck nach der Leseprobe hat mich auch nicht getrübt. Sicher, der Hauptcharakter ist 17 und damit ein Teenager, doch der Unterschied von 14 bis 17 ist gravierend. Dieses Buch ist dem alter Carmens angemessen und macht daher auch älteren Lesern – so wie mir – Spaß, da es wirklich in keiner Weise kitschig, säuselnd oder flach ist. Zwar dreht es sich hier um Liebe, doch die Hauptthematik ist eindeutig die Musik. Da die Autorin früher selbst einmal in einem Orchester musizierte, wirkt die Geschichte sehr glaubwürdig und spiegelt sehr schön den Zustand der Musikszene wider. Dabei erzählt Carmen uns ihre Geschichte selbst, da das Buch in der Ich-Perspektive geschrieben ist. Der Schreibstil der Autorin ist einfach zu lesen und doch so detailreich und ausführlich, dass die Atmosphäre vor dem Wettbewerb wirklich greifbar wird. Dass dies auf nur 250 Seiten gelingt, ist wirklich erstaunlich. Ich persönlich lese am liebsten die ausführlichsten und detailliertesten Romane und mag es nicht, wenn spannende Szenen sich die Klinge in die Hand drücken und keine Zeit für Charakterentwicklung bleibt. Natürlich, hätte die eine oder andere Stelle näher beleuchtet werden können, dennoch finde ich hat die Autorin an dieser Stelle ein beinahe perfektes Mittelmaß gefunden. Lediglich gegen Ende hätte ruhig die eine oder andere Szene noch ausgeführt werden können. Doch gerade das Ende macht dieses Buch eigentlich auch so gut, da anders. Ich will nichts vorwegnehmen, daher bleibt es bei einem: „Das hätte ich nicht erwartet“. Doch gerade dieses Ende passt sehr zum Stil des Buches und stellt Carmen als starke Persönlichkeit dar. Solche Vorbilder braucht die Jugend.

Wobei ich den letzten Satz in Verbindung mit ihrem Tablettenkonsum besonders hervorheben will, denn auch mit diesem Thema geht das Buch gut um, ohne den mahnenden Zeigefinger allzu hoch zu heben.
Mir hat jedoch etwas der Humor gefehlt als Gegenpart zu der sonst eher dramatischen Handlung. Dies war zwar in Ansätzen durch den Charakter Heidi gegeben, hätte jedoch noch ein klein wenig amüsanter sein können. Doch wahrscheinlich ist dies für eine solche Art Buch auch zu viel verlangt.

Fazit: Für ein Jugendbuch ist dies viel mehr als ich erwartet habe. Die Thematik wurde glaubhaft geschildert, die Liebesgeschichte ist romantisch ohne kitschig zu sein und anstelle eines Hauptcharakters, der so in der Liebe aufgeht, dass es beinahe an Selbstaufgabe grenzt, ist Carmen hier eine starke Persönlichkeit, die ihren Weg findet. Trotz geringer Seitenzahl ein atmosphärisch dichtes Buch, das – und dies muss auch noch einmal erwähnt werden – gänzlich ohne fantastische Elemente auskommt.