Rezension

Erinnerung des Verlorenen – Großartiger Krimi, hochspannend und süffig wie ein guter Wein

Kalter Sand - Anja Behn

Kalter Sand
von Anja Behn

Bewertet mit 5 Sternen

Kunsthistoriker Richard Gruben reist an die Ostsee, um die Vernissage seines Freundes Philipp Stöbsand zu besuchen. Kaum angekommen, erfährt er von einem ungeklärten Verbrechen, das den kleinen Küstenort vor Jahren erschütterte. Ein junges Mädchen war erdrosselt worden, der einzige Verdächtige damals: Philipp. Immer tiefer taucht Gruben in dessen verstörende Vergangenheit ein, ohne zu ahnen, wie nah ihm das Grauen gekommen ist.

Die Autorin:

Anja Behn, geboren 1972 in Rostock, studierte Bauingenieurwesen und arbeitet in einer Rostocker Baufirma. Sie lebt mit ihrer Familie in einem kleinen Dorf in Mecklenburg.

Reflektionen:

Kalter Sand ist bereits der dritte Kriminalroman von Autorin Anja Behn, um den Kunsthistoriker Richard Gruben, der immer wieder zufällig, aber absolut authentisch und glaubwürdig in spannende Kriminalfälle verwickelt wird. Wer nun denkt, ein Kunsthistoriker als Ermittler, das ist so gar nicht nach meinem Geschmack, der kann ganz unbesorgt sein, denn Richards Beruf ist hier nur nebensächlich erwähnt. Kalter Sand kann ohne jeden Zweifel als stand alone gelesen werden, ohne das Gefühl zu haben, man habe mit den ersten beiden Fällen wesentliches verpasst. Aber gern empfehle ich die Reihe von Anfang an.

Mich persönlich schreckt der Begriff Regional-Krimi, wie hier Küstenkrimi, bei meiner Buchauswahl oft etwas ab, aber dieser hier kann es mit den ganz großen lässig aufnehmen.

Als Richard Gruben seinen langjährigen Freund, den Fotografen Philip Stöbsand, zu dessen Vernissage besucht, trifft er auf die geheimnisumwobene Lehrerin Jette Herbusch, die sich Philip auf merkwürdige Weise nähert. Als Richard dann zufällig von einem grausigen, zurückliegenden Tötungsdelikt erfährt, stellt er die Verbindung her, dass sein Freund Philip mit dem Verbrechen in Verbindung steht. Ehe sich Richard versieht, steckt er in Mitten eines neuen, hochspannenden Falls.

Anja Behn hat mich bereits zweimal überzeugt, aber bei dem Kriminalroman Kalter Sand legt Anja Behn ihrem literarischen Können noch einmal ein Sahnehäubchen oben auf und es ist wunderbar, wenn man als Leser entdecken darf, wie sich Autoren stetig weiterentwickeln. Anja Behn schreibt noch dichter und noch näher am Geschehen. Die Handlungen der Protagonisten sind detailreich, aber maßvoll geschildert, so dass es zu keinerlei Längen kommt.

Der Einstieg in die Geschichte gelingt ganz spielend leicht, denn Anja Behns Schreibstil ist federleicht und trotzdem anspruchsvoll. Niemals findet man in diesem Krimi saloppe Umgangssprache. Alles ist fein ausformuliert, so dass es Anja Behn mühelos gelingt, eine atmosphärische Dichte und angemessene düstere Stimmung in ihre Geschichte hineinzuprojizieren. Auf angenehme Weise entwickelt sich die Handlung in einem zunächst gemäßigten Tempo, während von Anfang an knisternde Spannung präsent ist. Das Kennenlernen der wenigen Figuren, ähnlich wie in einem Kammerspiel, kann so harmonisch erlebt werden, bis das Tempo voller Dynamik anzieht und in einem unglaublich gut inszenierten Showdown mündet und jedes offene Detail glaubwürdig aufgelöst wird.

Einzelne, wechselnde Perspektiven und gut pointierte Cliffhanger verstricken die Handlung. Ahnungen die Handlung sei vorhersehbar, erstickt Anja Behn gekonnt mit neuen Wendungen im Keime.

Besonders angenehm empfinde ich die Charakterzeichnungen. Die Hauptfigur des Kunsthistorikers Richard Gruben ist kein typischer Ermittler. Anja Behn verzichtet glücklicherweise gänzlich auf klischeebehaftete Charaktermerkmale, wie zerrüttete Psyche, Suchttrauma, traumatische Kindheit und auf eine blutige Geschichte. Die Figur Richard ist äußerst höflich, gut situiert und sehr sympathisch. Er tritt eher konservativ als locker auf und wer mit ihm nicht warm wird, hat sicher etwas zu verbergen. Auch die Zusammenarbeit mit der örtlichen Polizei ist kein Gezeter, sondern eine, die auf Grund einer tiefen, langjährigen Freundschaft zu Kommissar Muslow gut funktioniert.

Fazit und Bewertung:

Kalter Sand ist ein spannender Kriminalroman mit angenehmen Charakterzeichnungen, fern ab von typischen Krimi-Klischees. Der neue Fall für Kunsthistoriker Richard Gruben ist eine authentische Ermittlerstory, die sich gemäßigt entwickelt, bis das Tempo voller Dynamik anzieht und in einem unglaublich gut inszenierten Showdown mündet und jedes offene Detail glaubwürdig aufgelöst.

Leseempfehlung.

5 Sterne

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