Rezension

Erschreckend.

Es wird keine Helden geben - Anna Seidl

Es wird keine Helden geben
von Anna Seidl

Bewertet mit 5 Sternen

Der Debütroman von Anna Seidl ist packend, erschreckend – realistisch. Er befasst sich mit einem Amoklauf an einer Schule aus der Sicht der Protagonistin Miriam und damit, wie ihr Leben danach weitergeht. Oder besser, wie sie versucht, ihr Leben wieder in die richtigen Bahnen zu lenken.

 

„Warum. Ein einfaches Wort. Fünf Buchstaben, nichts weiter.“ (S. 172)

 

Es ist nicht immer einfach, die Gedankengänge der Protagonistin nachzuvollziehen, da sie und auch ihre Freundinnen und auch Schüler, die sie vorher nie gekannt hat, schwer unter Schock stehen und nachts im Traum immer noch die Schüsse hören, tote Freunde am Boden sehen oder die Angst spüren, die sie seit diesem Augenblick, als der erste Schuss gefallen ist, vielleicht nie mehr komplett loslassen wird.

Trotzdem liefert Anna Seidl mit diesem Roman einen Einblick darin, wie es in einem Betroffenen aussehen würde. Denn so, wie Protagonistin Miriam feststellen musste, dass sich nie jemand um „das Leben danach“ Gedanken gemacht habe, musste auch ich feststellen, dass es immer nur um den Moment geht, in dem ein Amoklauf passiert und nicht um die Tage und Monate und Jahre danach, in denen das Erlebte aufgegriffen und verarbeitet werden muss.

 

„Es gibt Leute, die finden ihre Antworten. Und es gibt Leute, die finden ihre Antworten nicht. Zu denen gehöre ich dann wohl.“ (S. 136)

 

Der Roman begleitet Miriam auf ihrem schwierigen Weg zurück in ein weitesgehend normales Leben. Zurück in die Schule, zurück zu alten Freunden, die alle nicht mehr so sind, wie sie sie einmal kannte. Vielleicht weil auch sie nicht mehr ist, wie sie einmal war. Miriam wird vor den Ereignissen als eine eher oberflächliche Person beschrieben, sie sieht sich und ihren Freund Tobi als ein durchaus schönes Pärchen und sie hat Freude daran, Matias Staudt, den späteren Amokläufer, herunterzumachen.

An dieser Stelle würde man gerne sagen, dass es alles vorhersehbar gewesen wäre – wenn nur jemand geguckt hätte. Man würde gerne sagen, dass diese Sticheleien, diese Hänseleien alle gar nicht so gemeint waren, wie sie gewirkt haben. Aber auch Miriam muss sich im Zuge ihrer Therapie wohl eingestehen, dass jedes negative Wort, das man gesagt bekommt, in einem selbst etwas auslöst und niemand so genau weiß, was es ist.

 

„Denn egal, wie viel Schmerz du ertragen musst, egal wie viele Tränen du vergießt, egal, wie oft du hinfällst – solange es jemanden gibt, der dir die Hand reicht, stehst du immer wieder auf. Aber kein Mensch zieht allein in den Kampf.“ (S. 76)

 

Anna Seidl schafft es, dass der Leser Miriams Geschichte auch wirklich aus ihrer Perspektive nachvollziehen kann. Man freut sich über jeden kleinen Schritt, den Miriam in die richtige Richtung macht und man freut sich, wie sie langsam, aber sicher wieder Freude empfindet. Sie lebt zwar im Endeffekt nicht mehr das Leben, dass sie vor dem Amoklauf führte, doch vielleicht ist ihr „zweites Leben“ sogar ein bisschen besser, als das vorherige.