Rezension

erschreckend düster und doch so glänzend

Das Juwel - Die Gabe - Amy Ewing

Das Juwel - Die Gabe
von Amy Ewing

Bewertet mit 4 Sternen

Violet lebt in Armut, aber sie hat
eine besondere Gabe.
Eine Gabe, die ihre Chance und ihr Fluch zugleich ist …

Violet Lasting ist etwas Besonderes. Sie kann durch bloße Vorstellungskraft Dinge verändern und wachsen lassen. Deshalb wird sie auserwählt, ein Leben im Juwel zu führen. Sie entkommt bitterer Armut und wird auf einer großen Auktion an die Herzogin vom See verkauft, um bei ihr zu wohnen. Eine faszinierende, prunkvolle Welt erwartet sie. Doch das neue Leben fordert ein großes Opfer von ihr: gegen ihren Willen und unter Einsatz all ihrer Kraft soll sie der Herzogin ein Kind schenken.
Wie soll Violet in dieser Welt voller Gefahren und Palastintrigen bestehen?
Als sie sich verliebt, setzt sie nicht nur ihre eigene Freiheit aufs Spiel.

Dieser überwältigende Fantasyroman entführt uns in eine Welt voller Glanz und voller Dunkelheit. Eine Welt, in der eine Gabe ein Fluch sein kann.

kurze Einblicke:

Aber die Augen … die Augen sind genau so, wie ich sie in Erinnerung habe.
Vor mir stehe eine Fremde. Das bin ich.
(Seite 65)

Lucien nimmt meine Hand - seine Haut ist weich, wie die eines Kindes. "Ja. Das ist notwendig. Du hast gesehen, wie du vorher warst, und jetzt musst du akzeptieren, wer du geworden bist, musst dein neues Leben und deine Zukunft annehmen." Es ist, als läse er aus einem Drehbuch vor, aber in seinen Augen schimmert etwas, was seine Worte Lügen straft. Als würde er mir eigentlich sagen wollen, dass es ihm leid tut.
(Seite 73)

Annabelle verdreht die Augen und zurrt mein Korsett noch ein wenig fester. Ich fahre mit den Fingern über die harten Knochenstäbe - ich habe noch nie ein Korsett getragen und würde auch jetzt gerne darauf verzichten.
(Seite 261)

Ich bin verunreinigt. Ohne meine Zustimmung und gegen meinen Willen wurde mir etwas in mich hineingesetzt. Zu wissen, das es passiert wird, und es tatsächlich zu erleben sind zwei grundverschiedene Dinge.
(Seite 349)

meine Meinung:

Violet ist sehr schwer einzuschätzen da sie aufgrund ihrer Herkunft einerseits sehr schüchtern und in sich gekehrt wirkt, andererseits aber über einen Sturrkopf verfügt den sie auch in dieser Welt braucht um überhaupt etwas Freude am Leben zu haben. Sie ist ein sehr ausgewöhnliches Mädchen, nicht nur durch ihre starke Gabe, sondern auch weil sie einen starken Gerechtigkeitssinn hegt. Umso schlimmer ist es mit anzusehen, wie sie leidet als sie sieht wie es ihrer Familie geht oder wie Raven ihre beste Freundin unter dem Regiem ihrer neuen Herzogin leidet. Violet wird sich bewusst, das sie Glück im Unglück hat und kann nur hoffen, dass ihr Schicksal nicht so schnell zuschlägt. Einerseits damit sie selbst für sich noch Zeit hat, andererseits um diese Zeit zu nutzen um Raven helfen zu können.

Lucien ist eine Zofe der besonderen Art. Direkt der Fürstin unterstellt hat er im Gegensatz zu anderen Zofen sicherlich mehr Freiraum, aber wenn er bei irgendetwas Verbotenem erwischt werden würde, würde ihr wahrscheinlich auch eine härtere Strafe treffen als andere. Er soll in gewisser Art als Vorbild fungieren und anderen zeigen, wie dieser Job funktioniert. Er ist auch ein sehr undurchsichtiger Charakter der uns fasst bis zum Schluss nicht verrät was er eigentlich vor hat und mit welcher Vergangenheit er zu kämpfen hat.

Die Herzogin ist eine der wenigen im Juwel, die nur ansatzweise recht sympathisch wirken. Sie weiß noch ganz genau wo sie irgendwann mal herkam, verfolgt aber ein verbissen ein Ziel das sie sich nicht nehmen lässt. Sie verhält sich stets korrekt zu Violet, zeigt ihr aber ganz klar ihre Grenzen und was passiert wenn sie sich nicht an Vereinbarungen hält. Das mag für einige jetzt erstaunlich klingen, aber ich empfand sie wenn auch etwas pikiert doch sehr sympathische da ich nichts Falsches daran finden kann, wenn man in einer bestimmten Zivilisation lebt und ein Ziel vor Augen hat. Im Gegensatz zu anderen weiß sie, was Violet hierfür aufgeben wird und versucht ihr das Leben doch angenehm und gut zu gestalten. Gelegentlich lässt sie ihre Maske fallen und wir entdecken eine Frau in ihr, die man nicht vermutet hätte!

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Aufgrund der im Buchdeckel befindlichen sehr schön angesetzten Organigramme kann man sich im Vorfeld schon einen Überblick verschaffen, wie die Hierarchie in diesem Buch gegliedert ist. Auch die hohen Häuser der Herzogen und Fürsten im Bereich des Juwels konnte man hier sehr gut nachlesen und sich merken.

Allerdings sind im Nachhinein diese farblich schönen Abbildungen absolut nicht gleichzusetzen mit dem Inhalt des Buches. Das Buch wird von der Dunkelheit und einem düsteren Schatten eingenommen, den man nicht vorahnen kann. Für die einen mag es spannend und interessant sein, mich hat es erschreckt. Die ganze Hierarchie in ihrer Form ist für uns nichts neues, aber die Art und Weise der Unterdrückung, der seelischen Misshandlung und der zur Schaustellung waren für mich sehr schlimm zu lesen. Wie mag sich ein Mensch fühlen wenn er wie ein Hund an die Leine genommen wird um mit ihm anzugeben? Ein Halsband mit einer kurzen Leine? Da kann noch so viel Blinkblink und Glamour sein, so was geht gar nicht! Aber auch die Leihmuttersache hat mich doch sehr getroffen und entsetzt mit welchem Ausmaß dies hier ausgebeutet wird.

Der tolle, sehr detaillierte Schreibstil der Autorin machte diese Szenen sehr real und bildhaft. Das mag auf der einen Seite gut sein, auf der anderen verschlimmert es solche Szenen nur noch mehr.
Auch die Charaktere, die eigentlich alle sehr unvorhersehbar und schwer einzuschätzen waren, waren einfach mal etwas anderes. Meistens hat man mindestens einen starken Charakter. Jetzt, nach dem lesen würde ich schon sagen das Violet eine gewisse Stärke zeigt indem sie einfach ihr Ziel nicht aus den Augen verliert. Aber das wird einem beim Lesen des Buches gar nicht wirklich bewusst.

Und trotz dieser Dunkelheit in diesem Buch gab es auch sehr schöne, helle Momente in denen wir mit der Protagonistin, eine Welt kennenlernen durften wir oder auch sie nicht kannten. Eine Welt in der man eine Zofe hat, der Teller immer halb voll anstatt halb leer ist und man sich einfach keine Sorgen machen muss, ob man morgen überhaupt etwas auf dem Teller hat. Wir erleben Freude, Schönheit und entdecken die Liebe. Eine Liebe mit so vielen neuen Gefühlen, die Violet bisher nicht kannte und durch das verbotene nur noch interessanter und prickelnder wird. 

Und wie es immer so ist, wird ein Buch erst richtig spannend und mitreißend wenn es fast schon zu Ende ist. Was natürlich nicht überrascht dass man dann auch mit einem letzten Abschnitt Leben muss, den keiner so stehen lassen sollte. Den jetzt heißt es warten ….