Rezension

Erschreckend, ergreifend, traurig und schonungslos, aber gerade deswegen eines der Bücher, welches Aufmerksamkeit verdient!

Im Frühling sterben - Ralf Rothmann

Im Frühling sterben
von Ralf Rothmann

Bewertet mit 5 Sternen

Die letzten Kriegsmonate des 2. Weltkrieges

Im Frühling sterben ist die Geschichte von Walter Urban und Friedrich – »Fiete« – Caroli, zwei siebzehnjährigen Melkern aus Norddeutschland, die im Februar 1945 zwangsrekrutiert werden. Während man den einen als Fahrer in der Versorgungseinheit der Waffen-SS einsetzt, muss der andere,Fiete, an die Front. Er desertiert, wird gefasst und zum Tod verurteilt, und Walter, dessen zynischer Vorgesetzter nicht mit sich redenlässt steht plötzlich mit dem Karabiner im Anschlag vor seinem besten Freund ...
In eindringlichen Bildern erzählt Ralf Rothmann vom letzten Kriegsfrühjahr in Ungarn, in dem die deutschen Offiziere ihren Männern Handgranaten in die Hacken werfen, damit sie noch angreifen, und die Soldaten in der Etappe verzweifelte Orgien im Angesicht des Todes feiern. Und wir erleben die ersten Wochen eines Friedens, in dem einer wie Walter nie mehr heimisch wird und noch auf dem Sterbebett stöhnt: »Die kommen doch immer näher, Mensch! Wenn ich bloß einen Ort für uns wüsste ...«...(Klappentext)

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Mein Großvater, dazumals selbst als junger Bursch als letzte Hoffnung an die Front geschickt, hat mir einiges aus dieser Zeit erzählt und ich habe auch schon vieles an Biographien und Geschichtsbücher gelesen, aber es ist immer wieder erschreckend wie brutal und grausam in dieser Zeit agiert und reagiert wurde - selbst in den eigenen Reihen.

In diesem Buch wird die Geschichte von Walter erzählt - ein junger SS-Soldat, der, wie so viele, nichts mit dem Krieg zu tun haben wollte und noch am Ende zwangsrekrutiert wurde, um den erhofften Endsieg doch noch zu erlangen.
Dabei hat er es als Versorgungsfahrer noch mehr oder weniger gut getroffen, da ihm somit die Front erspart blieb.
Man durchlebt mit ihm Fliegeralarme, Bombeneinschläge, die Angst vor dem näherrückenden Iwan, kroteske Besäufnisse, Grausamkeit und Kaltblütigkeit gegenüber sog. Partisanen und selbst in den eigenen Reihen, den Zwang mitmachen zu müssen, um nicht selbst an die Wand gestellt zu werden, etc.

Der Schreibstil ist flüssig und bildhaft, der Erzählstil schonungslos und ergreifend. Ohne Beschönigung und Glorifizierung wird einem hier die Sicht eines Soldaten beschrieben.
Der Autor schafft es dieses Buch spannend und facettenreich zu gestalten und schlägt auch mal ruhige und nachdenkliche Töne an. So beschreibt dieser Roman nicht nur Gräueltaten, sondern auch was damals Hoffnung, Freundschaft, Kameradschaft und auch Mut bedeuteten.

Durch diesen Roman wird wieder einmal mehr bewusst, dass diese Zeit nicht nur für die sog. "Feinde" und die Zivilbevölkerung grausam und beängstigend war, sondern auch für die Soldaten. Denn viel zu oft wird vergessen, dass nicht alle der Soldaten (egal ob SS oder Wehrmacht) von Hitlers Ideologie überzeugt waren, mit Freuden in den Krieg zogen, Feinde aus dem Weg räumten oder zu Gräueltaten fähig waren.

Dieser Roman ist keineswegs leicht zu lesen, aber welches Buch mit dieser Thematik ist das schon? - egal, ob aus Soldatensicht, aus der Sicht eines jüdischen Überlebenden oder aus der Sicht der Zivilbevölkerung.
Das sollte einem jedoch nicht daran hindern dieses Buch zu lesen, denn nichtsdestotrotz ist dieses Buch gute Literatur die auf jeden Fall Aufmerksamtkeit verdient.

Fazit:
Für schwache Nerven und Mägen ist dieser äußerst authentische Roman nichts und auch mit starken Nerven ist dieser Roman nicht leicht zu lesen - erschreckend, ergreifend, traurig, schonungslos.
Der Autor schafft es trotzdem diese Thematik in einen spannenden Roman zu verpacken. Denn so erschreckend und bedrückend vieles ist, so interessant und aufschlussreich ist es auch.
Dieser Roman ist bis jetzt eines meiner wenigen Lesehighlights dieses Jahres und bekommt daher eine absolute Leseempfehlung.