Rezension

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erschreckend intensives Buch

Ich knall euch ab! - Morton Rhue

Ich knall euch ab!
von Morton Rhue

Bewertet mit 5 Sternen

Vorteile: packend, Preis; Nachteile: zu kurz

Ich bin großer Fan von "Die Welle", was ich in der Schule lesen durfte und immer noch gerne lese. Und da mir auch "Boot Camp" sehr gut gefallen hat, hatte ich mir "Ich knall euch ab!" günstig bei Tauschticket zugelegt und ebenfalls in wenigen Stunden durchgelesen.

MORTON RHUE
Morton Rhue wurde am 5. Mai 1950 in New York City unter dem Namen Todd Strasser geboren. Rhue greift in seinen Büchern kontroverse Themen wie den Nationalsozialismus, Gewalt an Schulen oder Obdachlosigkeit auf und bearbeitet sie für Jugendliche. "Die Welle" ist in Deutschland wohl der bekannteste Roman, da er in vielen Schulen gelesen wird und 2008 mit Jürgen Vogel ins Kino kam. Eine ausführliche Biografie findet man bei Wikipedia.

AMOKLAUF
"School Shootings" wird man wahrscheinlich nie begreifen, aber Fakt ist, dass Jugendliche unter Druck stehen und die Gesellschaft leider so gepolt ist, nicht jeden zu akzeptieren. Mehr über "Schulmassaker" findet man bei Wikipedia. In dem Buch wird auch öfters auf die Geschehnisse der Columbine High School hingewiesen.

DAS BUCH
Maße: ca. 18 x 12,2 x 1,2 cm
Schriftgröße: knapp 3 mm
Seitenanzahl: 159
Neupreis : ca. 5-7 Euro (z.B. bei amazon)
Aus dem Amerikanischen von Werner Schmitz
Verlag: Ravensburger

Klappentext: "Gary und Brendan werden von den Stars der Schule, den sportlichen Markenklamottenträgern, gedemütigt und terrorisiert. Die Lehrer schauen weg. Allmählich reift in den Köpfen der beiden der Plan, es ihren Mitschülern und Lehrern - nach dem Vorbild der Amokläufer von Littleton - heimzuzahlen. Am Tag des Abschlussballes präparieren sie die Ausgänge der Turnhalle mit Bomben und stürmen das Fest"

"Gewalt hat viele Gesichter - sie äußert sich durch den Gebrauch von Waffen und Fäusten oder von Worten, die Verachtung säen. Wenn wir nichts daran ändern, wie wir andere innerhalb und außerhalb der Schule behandeln, wird es nur noch mehr Tragödien geben" - Morton Rhue

Bevor es losgeht, gibt es eine längere Widmung und eine 3seitige Vorbemerkung des Autors zur deutschen Ausgabe. Danach folgt ein Zitat aus der Zeitung USA Today vom 21.5.99: "Die Schüler auf den Fluren kreischten vor Entsetzen, und Chaos brach aus, als sie erkannten, dass nun auch sie ... eine zunehmend vertraute Szene erlebten: einen Schüler mit einer Waffe." Nach der Geschichte folgt ein Nachwort von Prof. Dr. Klaus Hurrelmann von der Universität Bielefeld, das sich über dreizehneinhalb Seiten streckt. Danach folgt auf einer Seite noch das Personenverzeichnis. Ausser der Geschichte sind die genannten Sachen alle auf dunkelgrauem Papier gedruckt um sie abzugrenzen. Die Seitenzahlen befinden sich jeweils unten links bzw. rechts in Höhe der drittletzten Zeile.

Die Geschichte ist kein klassischer Roman, sondern eher ein Tatsachenbericht in Interview-Form. Das fand ich erst merkwürdig, aber man liest sich sehr schnell rein, weil es so packend geschrieben ist. Man hat Bilder im Kopf, wie diese "Zitate" auf Videokamera aufgenommen wurden und man nun diesen Aufnahmen lauscht. Sie klingen ehrlich und vor allem echt - so als ob die Geschichte wirklich wahr wäre.
Die Hauptprotagonisten sind eigentlich Gary Searle und Brendan Lawlor, die sich an den Mitschülern und Lehrern aus Middletown rächen wollen. Jedoch kommen sie nicht selbst zu Wort (aus Gründen, die man sich denken kann), sondern ihr Denken und Tun wir durch die anderen wiedergegeben. Dadurch erfahren wir, dass sie richtige Freunde erst in der Mitte der achten Klasse geworden sind, dann unzertrennlich waren und sich im Endeffekt gegenseitig hochgeschaukelt haben. Was mich ein wenig gestört hat, waren diese "typischen" Kennzeichen für einen Amokläufer. Gary war unglücklich, deprimiert, geheimnisvoll, verschlossen und dick, weswegen er ständig gehänselt wurde. Seine Mutter war wohl religiös und überängstlich. Er war ein Scheidungskind und ist nie darüber hinweggekommen, dass sein Vater einfach verschwunden ist. Die Searles waren zugezogen. Er hatte ausgeprägte Selbstmordgedanken und verbrachte online viel Zeit mit Chatten. Er fühlte sich schwach, hilflos und als Außenseiter und nannte sich selbst Loser, weil es alle anderen sagten. Trotzdem war er klug, ein guter Schüler und ein guter Bastler (er baute wahrscheinlich die für den Amoklauf benutzten Rohrbomben).
Brendan war ebenfalls ein Außenseiter. Zudem war er regelmäßiger Trinker. Er sagte selbst, dass es keinen Gott gibt und schrieb grausame Gedichte im Unterrricht. Auch er war klug, ein guter Schüler und war zugezogen, obwohl er gar nicht wegziehen wollte. Er war witzig, schlagfertig, aber auch launisch, nervös, misstrauisch, schwierig und konnte Ungerechtigkeit nicht ausstehen. Er hatte zwar ausgeglichene Eltern, doch er selber explodierte leicht. Er wollte sich nicht einfügen und trotzdem er ein guter Sportler war, konnte er die Sportler nicht ausstehen. Ausserdem war er ein großer Waffennarr. Seine Bewerbung an der Militärschule wurde jedoch abgewiesen.
Gary und Brendan waren keine guten Football-Spieler, jedoch gehörten diesen Sportlern die ganze Welt. Erschreckend fand ich, dass es keine wirkliche Hilfe seitens der Lehrer gab und diese teilweise sogar bei den Erniedrigungen mitmachten. Aus Frust tranken und kifften die beiden Amokläufer, spielten exzessiv den Ego-Shooter "Doom" und pushten sich gegenseitig hoch. Gefehlt hätte eigentlich nur noch, dass sie Rammstein hörten... Zudem gibt es Kritik an dem US-Waffengesetz, denn die Jungs kamen durch einen Nachbarn ganz leicht an die Waffen und konnten ebenso leicht Sachen für die Rohrbomben kaufen.

Klischeebeladen ist die Geschichte schon, aber trotzdem ist es packend und stimmt nachdenklich. So grausam dieses Buch auch ist, grausamer ist da die Vorstellung, dass Amokläufer tatsächlich existieren - auch hier in Deutschland und schon morgen könnte es wieder soweit sein. Rhue zeigt, dass vor allem die Gesellschaft daran Schuld ist, weil es immer Loser und die "Besseren" gibt und die Loser immer schlecht gemacht werden. Selbst Lehrer empfinden dies als "Erwachsenwerden" - ohne einzugreifen oder den "Besseren" mal zu erklären, dass niemand etwas Besseres ist! Vieles finde ich wieder, weil ich es selbst so erlebt habe oder weiß, dass es in Schulen so abgeht. Traurig!
Ich würde dieses Buch für Schulen empfehlen, vielleicht so ab der 7./8. Klasse.

DIE SPRACHE
Die Sprache ist sehr einfach, da es ja ein Jugendbuch ist. Jugendliche sollten alles ohne Probleme verstehen können. Sie sollten auch mit Chat-Abkürzungen zurecht kommen. Durch diese einfache Schreibweise, die Lücken zwischen den "Zitaten" und die Seitennutzung (1cm links, 2cm rechts, 1,2cm oben und 2,5cm unten) hat man das Buch innerhalb weniger Stunden durch.

Fazit: Nach "Die Welle" und "Boot Camp" war ich voll heiß auf die anderen Bücher von Morton Rhue, und bei "Ich knall euch ab!" wurde ich wieder nicht enttäuscht. Das Buch ist trotz seiner Interview-Form packend geschrieben und stimmt nachdenklich. Das Buch ist nicht nur für den Schulunterricht geeignet, sondern ist ein Muss als Freizeitlektüre. Ein Appell an die Menschlichkeit und eine Hoffnung, dass man mal mehr auf seine Kinder achtet und ihnen wirklich zuhört.

Kommentare

Goldstück90 kommentierte am 29. Oktober 2013 um 19:51

Ich habe es ebenfall vor kurzem gelesen und fand es auch wirklich gut! Die verschiedenen Perspektiven sind einfach unglaublich interessant.