Rezension

Erschreckend realistisch

BLACKOUT - Morgen ist es zu spät - Marc Elsberg

BLACKOUT - Morgen ist es zu spät
von Marc Elsberg

Bewertet mit 4 Sternen

Ohne Warnung fällt der Strom aus. Nicht nur in einem einzelnen Haus oder einem kleinen Dorf, sondern in ganz Europa. Und nicht nur für ein paar Stunden, sondern längerfristig. Wer oder was steckt dahinter, kann das Problem behoben werden, bevor es im kalten Februar zum Massensterben kommt?

 

Der Anfang ist alles andere als leserfreundlich. Alle paar Seiten werden mit einer neuen Szene neue Personen eingeführt, neue Namen und neue Tätigkeiten. Wen davon man sich als Leser überhaupt merken muss, und wer ohnehin keine grössere Rolle in der Geschichte spielen wird, ist zu Beginn noch unklar. So gesellt sich zur von Beginn weg vorhandenen Spannung erst mal auch noch grosse Verwirrung dazu. Im Laufe der Geschichte werden einige Personen zwar zu alten Bekannten, doch es werden immer noch neue eingeführt. Die schiere Masse an Protagonisten führt leider dazu, dass alle ziemlich konturlos bleiben, da der Raum fehlt, die einzelnen Personen vertieft einzuführen. Der Autor Marc Elsberg nennt übrigens alle seine Charaktere konsequent nach der ersten Erwähnung nur noch beim Nachnamen, was bei selten vorkommenden Personen, die man nicht so gut im Kopf hat, (oder Ehepaaren) zu Verwirrung führen kann.

Der Schreibstil von Marc Elsberg lässt sich flüssig lesen. Beschreibungen setzt der Autor recht sparsam ein. Die einzelnen Kapitel sind eher kurz, teilweise sogar nur rund eine Seite, bei jedem neuen Kapitel werden der Handlungsort und die Perspektive gewechselt. Dies erinnert an einen Film mit schnellen Schnitten und kurzen Szenen. Im Allgemeinen erinnert „Blackout“ stark an einen (Fernseh-)Film, ob der Autor beim Schreiben schon an die Vermarktung der Filmrechte gedacht hat? Die schnellen Wechsel haben mich beim Lesen deutlich gebremst, da ich mich alle paar Seiten wieder auf einen neuen Handlungsort und neue Protagonisten umstellen musste.

„Blackout“ schildert erschreckend realistisch, wie kurz es wohl dauern würde, bis bei einem europaweiten Stromausfall Chaos ausbrechen würde. In mehreren anderen Rezensionen habe ich gelesen, diese Schilderungen seien total unrealistisch, aber das sehe ich anders. Ich denke, dass die meisten Leute heutzutage wirklich nicht länger als einige wenige Tage mit ihren Vorräten auskommen würden, vor allem, wenn fliessend Wasser und Strom zum Kochen (Pasta, Reis etc.) fehlen. Sobald die Leute Hunger haben, entsteht Angst. Und die führt bekanntlich zu Wut (und irgendwann zur dunklen Seite der Macht, aber dies ist eine andere Geschichte und soll ein anderes Mal erzählt werden…) und Aggressionen. Viele der vermeintlichen Logiklöcher wurden auch in kurzen Abschnitten erklärt. So behauptet „Blackout“ nicht, dass die Kühe nach wenigen Tagen verhungern oder erfrieren, sondern dass sie an geplatzten Eutern sterben, weil sie nicht gemolken werden können. Die Leute fliehen auch nicht aus ihren Wohnungen, weil ihr „Bett Strom bräuchte“, sondern weil die Wohnungen nicht geheizt werden können, sie keine Nahrung mehr haben und aufgrund Wassermangels die Hygiene nicht mehr einhaltbar wird. Vor allem in Städten kann oft auch nicht einfach so irgendwo draussen Wasser geholt werden, um damit die Toilette zu spülen. Dass Treibstoffmangel herrscht liegt auch nicht an leeren Lagern, sondern daran, dass der Treibstoff nicht zu den entsprechenden Stellen hingebracht werden kann. Staatliche Getreidevorräte nützen nicht viel, wenn das Getreide weder gemahlen noch weiterverwertet werden kann. Natürlich bleiben dennoch einige ziemlich unlogische Szenen übrig, aber mich haben diese nicht sonderlich gestört, schliesslich ist „Blackout“ ja ein Roman und kein Sachbuch.

 

Mein Fazit

Die Handlung ist spannend und erschreckend realistisch. Aufgrund der grossen Anzahl der handelnden Personen bleiben jedoch alle ziemlich blass, die häufigen Szenenwechsel bremsen das Lesetempo. Die (Über-)Länge des Buches erfordert Ausdauer. Eine Empfehlung an alle Thrillerfans, die gerne Ausflüge in die „was wäre, wenn…“-Richtung machen und auch mal ohne Serienmörder auskommen können. Ich werde jetzt mal meinen Vorrat an Trinkwasser aufstocken gehen…