Rezension

*+* Erschütternd *+*

Das Seelenhaus - Hannah Kent

Das Seelenhaus
von Hannah Kent

Bewertet mit 4.5 Sternen

*+* Zu meinem Blogbeitrag "bebildert und in Farbe" geht es hier entlang:
http://irveliest.wordpress.com/2014/11/18/hannah-kent-das-seelenhaus/ *+*
Liebe Lesefreunde,
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.„Das Seelenhaus“ ist die Geschichte von Agnes, Agnes Magnúsdóttir.
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Dieser Roman ist zwar ein fiktiver Text, beruht jedoch auf Tatsachen.
Agnes Magnúsdóttir war die letzte Person, die in Island hingerichtet wurde, nachdem sie in die Ermordung zweier Männer auf dem Hof von Illugastadir verstrickt wurde.
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Hannah Kents Interpretation der Mordfälle von Illugastadir und der nachfolgenden Hinrichtungen beruht auf vielen Jahren intensiver Recherche in vielerlei Richtungen. Die meisten der Protagonisten sind so getreu wie möglich ihrem historischen Vorbild nachempfunden. Ebenso wie es die meisten der Charaktere gab, sind auch die Schauplätze real und nicht erfunden.
In diesem Buch werden zahlreiche bekannte und erwiesene Tatsachen über Agnes und die Mordfälle angeführt, die entweder aus eindeutigen Quellen resultieren oder aus mündlichen und heimatkundlichen Überlieferungen übernommen wurden.
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Diese Informationen habe ich aus den Anmerkungen der Autorin entnommen.
Ich hatte es über einen längeren Zeitraum des Lesens vermutet, aber als ich dann schwarz auf weiß sah, dass es Agnes und ihre Geschichte wirklich gab, wurde ich noch ein bisschen fassungsloser….
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Daran nicht ganz unschuldig ist der Stil mit seiner Wortwahl und Sprachmelodie, mit dem die Autorin diese Erzählung den Lesern nahe bringt.
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„Das Seelenhaus“ beschreibt in einem sehr ruhigen, unspektakulären Schreibstil das Schicksal von Agnes. Diese Art des Schreibens ist das perfekte Stilmittel, um die damaligen Ereignisse mitzuteilen.
Erntet man heute Aufschrei um Aufschrei über noch so kleine soziale Ungerechtigkeiten, waren diese früher gang und gäbe und niemand regte sich darüber auf.
Ob sich nun Dienstherren nach Vergnügen an ihren Mägden bedienen, Bauernhäuser so schimmelig und zugig waren, dass man sich dort den Tod holte, oder was auch immer. …
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Hannah Kent schildert nicht emotionslos, aber einem „ergebenen“ Tonfall. Denn so war es früher nun einmal und niemand wunderte sich wirklich darüber.
Die Zustände der Rahmenbedingungen , die die damalige Zeit ausmachten, werden sehr glaubwürdig und realistisch an den Leser herangetragen.
Ebenso der Kern des Buches: Agnes Magnúsdóttirs Geschichte.
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Diese Frau wird beschuldigt, an zwei Morden beteiligt gewesen zu sein und soll hingerichtet werden. Bis zu diesem Tage wird sie zur Strafe auf dem Kornsahof als Dienstmagd verdingt, um die ihr verbleibende Lebenszeit sinnvoll zu nutzen, reuig zu werden und Buße zu tun. Ein Pfarrvikar war ihr zur seelischen Begleitung bewilligt worden.
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Die letzte Station ihres nur gut 30-jährigen Lebens darf sie in vertrauter Umgebung verbringen. Agnes kennt des Kornsáhof, sie hatte als Kind einige Zeit dort gelebt.
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Natürlich wird der Hof mittlerweile von anderen Menschen bewirtschaftet. So dient Agnes in der letzten Phase ihres Lebens Jón Jónsson, seiner Frau Margrét und deren beider Töchter, Steina und Lauga.
Der Herr des Hauses hat die Verurteilte nur aufgenommen, weil er sich einen persönlichen Vorteil beim Landrat davon verspricht, es war keine Nächstenliebe.
Die Frauen haben zunächst große Angst vor der vermeintlichen Mörderin. Die vielen Menschen merkwürdig erscheinende Steina erfasste sofort intuitiv, was Sache war. Die Verkrustungen der Angst lösen sich aber auch nach und nach bei Margret und Lauga.
Denn durch die Gespräche, die Agnes mit ihrem kirchlichen Beistand führt, habe nicht nur ich als Leserin die Geschichte der armen Frau erfahren. Auch die Hofbewohner konnten wegen der Enge der Behausung nicht umhin, den Gesprächen zu lauschen.

Wenn man heute denkt, Geld ist Macht und regiert die Welt, so trifft dieses Sprichwort noch viel eindrucksvoller auf die Epoche zu, in der dieser Roman spielt.
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Was wirklich passiert ist, scheint den Machtherren nicht so wichtig. Was allein zählt, ist den eigenen Status zu behalten und möglichst auszubauen.
Persönliche Schicksale anderer Menschen spielen keine Rolle.
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Hannah Kent schaffte es mit ihrer gut überlegten Mischung aus mehreren Erzähl- und Handlungssträngen, mich nach und nach immer tiefer in die Geschichte zu ziehen.
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Obwohl ich damit gerechnet hatte, war ich auf den letzten Seiten fassungslos. Denn welche Rolle Agnes in der besagten Mordnacht tatsächlich gespielt hatte, ließ auch mich große Augen machen…..
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Der Titel dieses Buches ist einem Gespräch zwischen Agnes und dem begleitenden Vikar entnommen.
„Der Raum zwischen den Sternen ist das Seelenhaus.“
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Dieser sehr berührende Roman ist im August 2014 unter der ISBN-Nr 978-3-426-19978-7 in der Verlagsgruppe Droemer Knaur erschienen. Es umfasst 384 Seiten und ist auch als eBook erhältlich.

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