Rezension

Erschütternder Bericht über die letzten Stunden des alten Würzburgs 1945

Bombennacht - Roman Rausch

Bombennacht
von Roman Rausch

Bewertet mit 5 Sternen

Als Würzburgerin ist mir natürlich die Geschichte der verhängnisvollen Bombennacht bekannt, ich stand schon oft vor dem Denkmal im Rathaus, das ein Modell des zerstörten Würzburgs zeigt, und kenne auch ein paar Augenzeugenberichte. Wer heute durch diese wunderschöne Stadt läuft, kann sich kaum vorstellen, dass damals ein Hölleninferno die historische Altstadt zu 90% zerstörte und unzählige Menschenleben forderte.

Roman Rausch, der vor allem als Autor historischer Romane und Krimis/Thriller bekannt ist, hat sich nun dieses schweren Stoffes angenommen. Wie der Untertitel bereits verrät, geht es hier um einen Zeitraum von 24 Stunden, beginnend am 16. März 1945 um 6.06 Uhr, als ein wunderschöner Frühlingstag die Würzburger Bevölkerung noch in Sicherheit wiegt.

Es gibt mehrere Handlungsstränge und man lernt zuerst nach und nach die Hauptcharaktere kennen, deren Wege sich mit der Zeit kreuzen:

• Prof. Werner, Nervenarzt an der Uniklinik, und seine Familie. Als Vorbild für diese Figur diente Werner Heyde, der als Professor für Neurologie und Psychiatrie in Würzburg an der "Aktion T4", der systematischen Tötung von geistig Behinderten beteiligt war. Neben dem Professor spielen noch Tochter Charlotte, eine Funkhelferin, und der von der SS desertierte Sohn German eine Rolle.
• Fanny, die angehende Krankenschwester, die Prof. Werner verehrt und erst merkt, welche Verbrechen ihr Vorbild begangen hat, als es schon zu spät ist. Ihr Vater Vinzenz und ihre Großeltern Jörg und Cäcilie treten ebenfalls in Erscheinung.
• Paul, ein Jude, der als Klavierlehrer bei der kultivierten Nazi-Familie Werner bislang von der Deportation verschont blieb und heimlich seine Flucht plant.
• Henry bzw. Heinrich, der nach seiner Flucht aus der deutschen Heimat bei der British Royal Air Force anheuert und nun gegen seine Überzeugung bei der Zerstörung Würzburgs, seines alten Studienortes, mitwirken soll.
• Julius und Eugen, zwei Jugendliche, die viel zu schnell erwachsen werden müssen.

Daneben gibt es noch zahlreiche weitere Nebencharaktere. Und viele von ihnen werden später unter den über 5.000 Opfern sein, die der Angriff der Briten und dessen Nachwirkungen fordern.

Roman Rauschs Schreibstil ist anspruchsvoll, eloquent und eindrücklich. Er schafft es, das unvorstellbare Leid in Worte zu fassen, irgendwie greifbar zu machen. Die Geschichte ist extrem aufwühlend und hinterließ bei mir während der Lektüre ein Gefühl der Beklemmung und Fassungslosigkeit. Ich habe schon viele Bücher über den Weltkrieg und seine unerträglichen Gräuel gelesen. Ich wusste, was in der Bombennacht passiert ist. Und dennoch ist das Gelesene fast unerträglich, da man weiß, dass trotz fiktiver Figuren die Haupthandlung - die Zerstörung Würzburgs - ein Fakt ist und alle hier beschriebenen Grausamkeiten so oder in ähnlicher Weise tatsächlich passierten. Man wird niemals verstehen, wie furchtbar damals der Krieg war, und wieso das so genannte "moral bombing", das einzig dem Zweck diente, die Moral der Bevölkerung zu brechen und den größtmöglichen Schaden anzurichten, von eigentlich zivilisierten Ländern als Kriegstaktik durchgeführt wurde.

Schon vor dem Angriff ist die Situation in der Stadt nicht einfach. Die Bevölkerung leidet unter Hunger und Armut, hat schon mehrere Angriffe hinter sich und muss sich Wohnraum und Lebensmittel mit zahlreichen Flüchtlingen aus anderen zerstörten Städten teilen. Die Krankenhäuser sind überfüllt mit Kriegsversehrten. Allein diese angespannte Stimmung war greifbar, und als die britischen Bomber dann starteten, legte ich das Buch erstmal weg, da ich nicht wollte, dass es noch schlimmer kommt. Das restliche Buch las ich dann an einem ruhigen Sonntag in einem Rutsch durch, so ein bisschen nach dem Motto "Da muss ich jetzt irgendwie durch."

Der Angriff selbst dauerte nicht lang, in Echtzeit circa 17 Minuten, aber das Inferno, das danach losbrach, ist kaum zu begreifen. Wer sehr empfindlich ist, sollte tatsächlich zweimal überlegen, ob er diesen Roman lesen möchte. Hier ist sicherlich keine Effekthascherei nötig, um das unsägliche Leid der Bevölkerung deutlich machen zu können, der Autor provoziert nicht mit unnötigen Grausamkeiten. Aber er erzählt nunmal so, wie es war, wie man es von Überlebenden weiß, und er beschönigt nichts. Man ist hier wirklich weit entfernt von "leichter Kost", die man mal eben gemütlich auf der Couch wegschmökert.

Roman Rausch hat dieses wichtige und traurige Kapitel der Würzburger Geschichte anhand von Zeitzeugenberichten und historischen Fakten detailliert aufgearbeitet, und es ist ihm gelungen, Fiktion und Wirklichkeit zu verknüpfen. "Bombennacht" hat mich emotional sehr mitgerissen, und ich kann diesen Roman jedem empfehlen.