Rezension

Erste Mängel in einer grandiosen Krimi-Reihe

Böser Wolf - Nele Neuhaus

Böser Wolf
von Nele Neuhaus

Bewertet mit 5 Sternen

Als großer Fan von Nele Neuhaus habe ich dem Erscheinen des neuen Buches natürlich mit gewissen Erwartungen entgegen gefiebert. Nach der Lektüre darf ich nun behaupten, dass diese "nur" zufriedengestellt und nicht übertroffen wurden. Der Fall beginnt mit einem toten Mädchen, das mit schwersten Misshandlungen aus dem Main gezogen wird und dessen Identität sich auch nach längerem nicht aufklären lässt. Nach dem brutalen Überfall auf eine bekannte Fernsehmoderatorin, bei dem, zwecks Überarbeitung der Kollegen kurzerhand die Mordkommission des K11 einspringt, wird die Leiche auf das Abstellgleis gestellt, da in dem Fall ohnehin kein Weiterkommen ist. Unabsichtlich manipuliert durch die Tochter der überfallenen Moderatorin, ergeben sich nur sehr langsam Einzelheiten, die die beiden Fälle am Ende doch in Zusammenhang bringen. Natürlich spielt auch das Privatleben der Protagonisten Pia Kirchhoff und Oliver von Bodenstein wieder eine gewisse Rolle, wenn auch in diesem Fall eher Pia im Vordergrund steht. Gleich zu Beginn trifft sie Emma, eine alte Schulfreundin wieder, deren momentane Situation in regelmäßigen Abschnitten dargestellt wird. Zu Beginn fragt man sich noch, was diese Einschüben zu bedeuten haben, doch mit der Zeit werden erste Zusammenhänge mit den laufenden Ermittlungen deutlich.

Der Fall ansich beginnt durch die vielen verschiedenen Sichtweisen und Erzählperspektiven eher zäh. Obwohl es zu Beginn an Spannung mangelt, kommt keine direkte Langeweile auf. Eine gewisse Neugierde auf das weitere Geschehen lässt sich nicht leugnen und mit dem Fortschreiten der Handlung nimmt diese immer mehr zu. Die verschiedenen Fäden beginnen sich erst nach und nach zu ordnen und die wirkliche Aufklärung folgt erst zum Schluss, sodass sich die Spannung konsequent steigert. Obwohl man zwischendurch wirklich verwirrt ist und sich kaum einen Reim auf den gemeinsamen Nenner all der Personen und Handlungsstränge machen kann, wird am Ende alles aufgelöst und es bleiben keine Fragen offen. Die Auflösung wirkt zwar schlüssig, aber manches Detail (vor allem im Bezug auf Emma und ihren Mann Florian) erschien mir doch etwas unrealistisch. Der Schreibstil ist sehr angenehm und teilweise poetisch, wie man es von Nele Neuhaus gewohnt ist. Man fühlt sich sofort in die Handlung involviert und liest gerne weiter.

Im Großen und Ganzen ist die Fortsetzung der Reihe durchaus gelungen und auf jeden Fall empfehlenswert. Im Vergleich zu "Schneewittchen muss sterben", dem meiner Meinung nach besten Teil, schneidet der 6. Fall leider etwas schlechter ab. Dieses fesselnde Gefühl das Buch kaum aus der Hand legen zu können und die riesige Vorfreude, beim Gedanken ans Weiterlesen habe ich hier leider vermisst. Zudem kam mir die Handlung etwas zu überladen vor. Es waren zu viele Einzelstränge und bei manchen Dingen habe ich mich wirklich gefragt, ob das für die Handlung nötig gewesen wäre. Verwirrung wird damit zwar gestiftet, aber die geht leider etwas zu Lasten der großen Spannung. Die Atmosphäre im Buch war bezogen auf das düstere und schreckliche Thema, das es behandelt, oft zu positiv. Zwischendurch kamen mir manche Passagen wie ein heiterer Frauenroman vor und das passt nun einmal überhaupt nicht in diesen Kontext.

Trotz einzelner Kritikpunkte ein durchaus gelungener Krimi, den man guten Gewissens weiterempfehlen kann. Vier von fünf Sternen.