Rezension

Erstens kommt es anders...

Zweilicht - Nina Blazon

Zweilicht
von Nina Blazon

Bewertet mit 5 Sternen

Jay ist als Austauschschüler in New York und lebt bei seinem Onkel Matt und seinem Cousin Aidan. Seiner Mutter hat er gesagt, dass er nur für ein Jahr in Amerika bleiben will. In Wirklichkeit möchte er aber nie wieder nach Hause. Jay hat ein sehr schlechtes Verhältnis zu seiner Mutter, was auch auf seinen Vater Robin zurückzuführen ist.

Robin hat in New York gelebt, bevor er bei einem Motorradunfall ums Leben gekommen ist. Jay hat ihn in seinem ganzen Leben nur einmal getroffen und hielt ihn, wie auch viele andere, für verrückt. Robin schrieb Jay viele unverständliche Postkarten mit scheinbar sinnlosen und verwirrten Sätzen. Auf der letzten Postkarte, die Robin kurz vor seinem Tod an Jay geschrieben hat, steht eine Warnung. Jay nimmt sie nicht ernst, muss aber später erkennen, dass sein Vater keinesfalls verrückt war und er wirklich in großer Gefahr schwebt.

Dass das Buch aus der Sicht von Jay geschrieben ist, hat mir als Mädchen nichts ausgemacht. Ich finde es wirklich interessant. Am Anfang ist er zwar etwas stur und zurückgezogen, innerhalb von kürzester Zeit wird er dem Leser dann aber doch sehr sympathisch.

Was hat Mo mit all dem zu tun? Mo, die man ja schon in der Leseprobe kennen lernt, spielt eine Schlüsselrolle und ist auch für die Spannung sehr wichtig. Durch die Passagen die aus ihrer Sicht geschrieben sind, wird der Leser in ihre Pläne eingeweiht und liest gespannt und neugierig weiter. Wie wirken sich ihre Pläne auf Jay aus? Ist sein Leben durch Mo gefährdet?

Jay ahnt von all dem nichts. Sein größter Wunsch ist es, Madison, dem Mädchen mit den Indianeraugen, näher zu kommen. Sie ist zwar eine Außenseiterin, dennoch hat sie etwas Anziehendes. Scheinbar zufällig wählt er die gleichen Kurse wie sie. 

Es dauert nicht lange, da verlieben sich die beiden ineinander und Jay fühlt sich in seiner neuen Heimat wirklich wohl. Da Madison so zurückhaltend und anders als ihre Freundinnen ist, war es schwer, diese Beziehung einzuordnen. Gerade das hat es aber auch so spannend gemacht sie zu verfolgen.
Dann taucht Ivy auf. Mit ihrer wilden, frechen und dennoch intelligenten Art, steht sie im Gegensatz zu Madison. Auch Ivy strahlt etwas aus, von dem Jay fasziniert ist. 

Sie taucht immer unerwartet auf und gibt ihr Geheimnis lange nicht Preis.

So kommt es, das Jay zwischen den beiden Mädchen hin und hergerissen ist, auch wenn seine Gefühle für jede von ihnen anders sind. Madison verzaubert ihn, Ivy mach ihn neugierig. Die beiden stellen Jays ganze Welt auf den Kopf und er steht mehrmals vor sehr schwierigen Entscheidungen.

Durch Ivys Erscheinen bekommt die Handlung dann letztendlich ihre Wendung. Ivys Welt, die sie mit Jay erkundet, ist faszinierend und beängstigend zugleich. Es dauert etwas, bis man sich der Wahrheit um Jays Leben bewusst wird und sie versteht, aber es ist zu keinem Zeitpunkt langweilig. Wie genau Ivys Welt ist und was sie von der Welt von Jay und Madison unterscheidet, will ich hier nicht sagen. Das ist nämlich der Knackpunkt des ganzen Buches und den will ich natürlich nicht vorwegnehmen. Es hat trotz der anfänglichen Verwirrung nämlich großen Spaß gemacht herumzurätseln und Vermutungen anzustellen.

Dabei habe ich eines durch Zweilicht gelernt:
Nichts ist so, wie es auf den ersten Blick scheint. 
In den meisten Fällen machte sich das folgendermaßen bemerkbar:
Ich lese das Kapitel. 
In ungläubigem Stauen werden meine Augen größer und größer. 
Ich sage zu mir selbst: „Nein! Das kann doch nicht sein! Aber dann war ja das alles..“ 
Ich blättere zurück, lese manche Abschnitte ein zweites Mal.
Wieder ungläubiges Staunen. 
Dann lese ich weiter und immer wieder merke ich, dass meine anfänglichen Vermutungen falsch sind. 
Das war in keiner Weise frustrierend, sondern sorgte für anhaltende Spannung und hielt die Neugierde am Leben.

An dieser Stelle muss ich etwas zu der Inhaltsangabe sagen: 

"Bis sie(Ivy) ihn schließlich in eine verwunschene Welt entführt, die seit Jahrhunderten kein lebender Mensch betreten hat. ", heißt es da. Wenn ich so im Nachhinein darüber Nachdenke, dann macht dieser Satz keinen Sinn. Ivys Welt ist realer als man es sich wünscht. Anstatt verwunschen würde ich eher bedrohlich sagen. 
Kein Mensch hat sie seit Jahrhunderten betreten? Ivy ist ein Mensch und lebt schon immer dort. In ihrer Welt gibt es andere Menschen, die schon ihr ganzes Leben dort verbracht haben. Diese Angabe kann ich nur als irreführend bezeichnen. Vielleicht ist es Absicht, vielleicht auch nicht. Ich jedenfalls finde sie unpassend.

In Zweilicht werden so viele Themen angesprochen wie in bisher noch keinem Buch, das ich gelesen habe.
Liebe, Hass, Trauer, Freude, Familie, Freundschaft, Verzeihen, Magie, Fantasy, Verlust, Zukunft, Vergangenheit, Wahrheit, Lüge, Traum, Wirklichkeit, Schein, Sein, Spannung, Entscheidung... diese Liste könnte noch länger fortgeführt werden, aber ich glaube, jeder kann sich auch so denken, was ich meine.
Schein und Sein, sowie Traum und Wirklichkeit spielen eine große Rolle in Zweilicht und machen es zu etwas Besonderem. Um die ganze Tragweite der Geschehnisse zu begreifen, muss man das Buch wahrscheinlich ein zweites Mal lesen. Mit dem Wissen um das Ende und die Wahrheit über Jay und sein Leben, wird man das Buch beim zweiten Lesen mit ganz anderen Augen betrachten und mehr "sehen", als man es beim ersten Lesen getan hat.
Nina Blazon hat es geschafft, eine Geschichte zu schreiben, die den Leser von Anfang bis Ende fesselt und auch nach dem Lesen noch lange nachwirkt. Ihr Schreibstil ist einfach, dennoch schafft sie es, mit wenigen Worten detaillierte und faszinierende Bilder zum Leben zu erwecken, was Zweilicht zu einem besonderen Leseerlebnis macht.  

Fazit
Zweilicht ist, meiner Meinung nach, Nina Blazons bisher bestes Buch. Sie hat eine unglaubliche Welt erschaffen, in der man viele Gefühle durchlebt und immer wieder ungläubig staunt. Egal was ihr von diesem Buch erwartet: Es ist anders! Und einfach unglaublich schön.