Rezension

Es gibt Länder auf dieser Erde, da möchte man nicht einmal tot begraben liegen.

Nordkorea - Rüdiger Frank

Nordkorea
von Rüdiger Frank

Bewertet mit 4.5 Sternen

Es gibt Gerüchte und Schauermärchen über Staaten, die einem die Nackenhaare senkrecht stehen lassen. Und es gibt Völker unter uns, mit denen man entweder Mitleid hat, oder nur fassungslos den Kopf schüttelt. Bei allen drei Kriterien denke ich an Nordkorea.

Als Deutsche, die die Wiedervereinigung von Ost und West quasi direkt vor der Nase miterlebt hat, war ich sehr neugierig darauf, was es mit Nord- und Südkorea auf sich hat und ob eine Versöhnung machbar ist. Aber auch als TV-Konsument habe ich in letzter Zeit wieder beunruhigende Nachrichten über diesen abgeschotteten Teil Koreas gehört und es wurde Zeit, einen Überblick über die politische Situation dort zu bekommen.

Mit Rüdiger Frank war ich für diese Aufgabe in den besten Händen. Er brach nach der Wende, als Student, Richtung Nordkorea auf, um dort ein, noch aus DDR-Kontakten resultierendes Sprachsemester an der Kim-Il-Sung-Universität in Pjöngjang zu absolvieren. Seitdem ist er regelmäßig dort. Inzwischen ist er Professor für Wirtschaft und Gesellschaft Ostasiens an der Wiener Universität und ist Vorstand des dortigen Instituts für Ostasienwissenschaften.

Frank kann also nicht nur erzählen, er weiß auch noch, wovon er spricht!

Und so fiel es mir auch nicht schwer, mich durch die wechselvolle Geschichte Koreas zu lesen, um dann auch zu verstehen, warum die (Nord-)Koreaner so sind, wie sie sind (oder habt ihr euch noch nie gefragt, warum sie keinen Aufstand anzetteln und ihren Führer innig lieben, obwohl er sie hungern lässt?). In einem so sehr verschlossenen Land, zählt jedes winzige Zeichen und Rüdiger Frank, der diese Zeichen zu deuten weiß, macht auch darauf aufmerksam. Sind euch schonmal die mehrmaligen Änderungen der überlebensgroßen Statuen von Kim Il-sung und Kim Jong-il aufgefallen? Überhaupt die Kim Ära. Ich bin immer schier verzweifelt bei den ganzen Kims, aber der Autor tüftelt alles mit Geduld auseinander und stellt Großvater, Vater und Enkel in ihre jeweils eigene Vitrine.
Ähnlich strukturiert erklärt uns Frank die 4 Sonderwirtschaftszonen, mehr oder weniger an den vier Ecken des Landes. Kaesong im Südwesten des Landes ist inzwischen von südkoreanischer Seite im Zuge der Sanktionen geschlossen worden, ebenso das Tourismusprojekt im Diamantgebirge. Aber Kontakte mit den Chinesen und Russen, die natürlich auch eigene Interessen verfolgen, im Nordosten und Nordwesten bestehen noch. Die Handelsbeziehungen zu China haben auch eine lange Tradition und der jüngste Besuch Jong-uns bei Xi lässt hoffen, dass sich Nordkorea trotz aller Unabhängigkeitsbemühungen bewusst ist, dass man sich nicht allem verschließen kann.

Letztendlich läßt uns Frank an seinen Gedanken teilhaben, wie eine Wiedervereinigung der beiden Koreas aussehen könnte und welche gravierenden politischen und wirtschaftlichen Unterschiede es zur Wiedervereinigung hier in Deutschland gibt.

Seine Texte sind gespickt mit eigenen Erfahrungen in Nordkorea, mit Gedanken zur Politik der Großmächte, aber auch immer wieder Hinweisen, dass er nur vermuten kann, wie es weitergeht. Er hat seinen Professor nicht "raushängen" lassen, hat mir aber einen guten und differenzierten Einblick, abseits der üblichen Berichterstattung, in dieses Land gegeben. Ich fühle mich gut gerüstet für die Entwicklungen, die da kommen mögen und werde auf jeden Fall nicht mehr so schnell aburteilen!

Im Mittelteil des Buches gibt es eine kleine Fotostrecke.

Kommentare

wandagreen kommentierte am 29. März 2018 um 18:36

Ab in die Ferien nach Nordkorea und immer hübsch auf die Lippen gebissen, falls man was Kritisches denkt, nicht aussprechen, Ems!

Hm, hm, man revoltiert nicht, weil man leben möchte, könnte ich mir denken. Ich hätte jedenfalls keine Lust auf eine Haftstrafe wie sie die Queen of Tearlings erlitten hat, und die hatte noch magische Fähigkeiten.

Irgendwann sind sie alle tot, die Kims. Dann kann man weitersehen. Die sind so dekadent, dass sie bald nur noch Mädchen produzieren. Dann bekommen die magische Kräfte ... und dann gehts rund!

Also, falls KimBimBomb uns nicht vorher weggebombt hat.

 

Emswashed kommentierte am 30. März 2018 um 07:18

Du sollst den Tiger erst erschießen, wenn du das Weiß in seinen Augen erkennen kannst!

katzenminze kommentierte am 25. April 2018 um 17:15

Es klingt sehr interessant. Ich sollte mir das bei Gelegenheit zulegen. Ach... so viele Nordkoreabücher auf der Wunschliste mittlerweile. *seufz*

Meine Ma sagte übrigens immer: Da möchte ich nicht tot über'm Gartenzaum hängen. ;)