Rezension

Es gibt noch keine Lösung, und der angestrengte Versuch, dieses Thema aus dem Wahlkampf herauszuhalten, wird scheitern.

Die Getriebenen - Robin Alexander

Die Getriebenen
von Robin Alexander

Bewertet mit 5 Sternen

Robin Alexander, Die Getriebenen, Siedler 2017, ISBN 978-3-8275-0093-9

 

In einer in solcher Qualität lange nicht erlebten journalistischen Recherche zeichnet der Hauptstadtkorrespondent der WELT, Robin Alexander, in dem vorliegenden Buch ein Gesamtbild dessen, was zwischen dem September 2015 und dem März 2016 unter deutschem Regierungshandeln geschehen ist. Ein dramatisches Kapitel deutscher Geschichte wird hier mit zahlreichen der Öffentlichkeit bisher nicht bekannten Details erzählt, das erst mit der von anderen Ländern durchgesetzten Schließung der Balkanroute vorerst beendet wurde.

 

Am 12.9. 2015 gab es eine Vereinbarung der Spitzen der Großen Koalition, die besagte, dass man vom nächsten Tag an die deutsche Grenze für Flüchtlinge schließen wollte, und Menschenmassen nach Österreich zurückzuschicken. In seltener Einigkeit hielten Merkel, de Maizière, Altmaier, Gabriel, Steinmeier und Seehofer das für geboten. Doch wohl aus Angst vor der öffentlichen Meinung  und vor Gerichtsentscheidungen wurde dieser Plan nie umgesetzt. Niemand wollte zu diesem Zeitpunkt dafür die politische Verantwortung übernehmen.

 

Das Buch von Robin Alexander schildert minutiös, was damals geschah, reflektiert das Handeln der Akteure und beleuchtet im zweiten Teil das Verhältnis von Angela Merkel zur Türkei und zu Erdogan, das in diesen Tagen wieder brandaktuell geworden ist. Immer wieder geht es um die Konkurrenz zweier Lösungsansätze: EU-Türkei-Abkommen einerseits und Grenzschließung andererseits.

 

Er sitzt sozusagen zwischen den Stühlen mit seiner Darstellung: „Die Anhänger beider Sichtweisen werden von diesem Buch enttäuscht sein. Es erzählt weder eine Heiligengeschichte noch ein Schurkenstück.“

 

Das Buch ist spannend zu lesen, weil es bei aller Differenziertheit nicht mit Kritik an Angela Merkel spart. Und eines ist sicher: nicht nur wegen des fragilen Verhältnisses zur Türkei nach dem Referenden und den ihm vorangehenden Unverschämtheiten, sondern auch wegen der immer größer werdenden Zahl von Flüchtlingen, die zu Tausenden jeden Tag über das Mittelmeer kommen und von denen keiner in Italien bleiben will.

 

Es gibt noch keine Lösung, und der angestrengte Versuch, dieses Thema aus dem Wahlkampf herauszuhalten, wird scheitern.

 

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