Rezension

Es hätte so schön sein können...

Mein bester letzter Sommer
von Anne Freytag

Bewertet mit 3 Sternen

Berührende Thematik mit einem leider sehr farblosen und viel zu kitschigen Liebespaar

Inhalt

Tessa wird sterben. Nicht in wenigen Jahren, nicht in wenigen Monaten - vermutlich in wenigen Wochen.
Seit dieser Diagnose verkriecht sie sich in ihrem Zimmer, deprimiert und wütend darüber, dass sie ihr Leben lang nur in der Zukunft gelebt und Pläne geschmiedet hat, die sie nun niemals wird umsetzen können.
Doch dann trifft sie auf Oskar, der sie aus ihrem Schneckenhaus holt, sie mit auf einen Roadtrip durch Italien nimmt und ihr so einen letzen, unvergesslich Sommer beschert. Oskar, in den Tessa sich unsterblich verliebt.

Meinung

Ich hätte dieses Buch so gerne geliebt. Hätte so gerne gelacht und Tränen vergossen, wie es offenbar andere Leser bei der Lektüre getan haben. Doch leider konnte mich dieser Roman kaum berühren.
Ich weiß nicht, ob es daran liegt, dass ich schon so viele Jugendbücher mit dieser Thematik gelesen habe. Ich habe mir wirklich Mühe gegeben, nicht zu vergleichen (obwohl ich dennoch inhaltlich und stilistisch Parallelen zu "Das Schicksal ist ein mieser Verräter" entdeckt habe), doch die Liebesgeschichte konnte mich einfach nicht packen.

Was nicht bedeuten soll, dass das Buch schlecht ist, auf keinen Fall.
Die wunderschönen Beschreibungen Italiens haben mich verzaubert und Fernweh in mir geweckt. Generell ist der Schreibstil sehr poetisch (teilweise in meinen Augen leider auch etwas zu schwülstig für eine 17-jährige) und das Buch liest sich sehr schnell.

Die Thematik Tod fand ich in Teilen auch sehr gut und tiefgründig umgesetzt. Tessa war vor ihrer Diagnose immer ein Planungsmensch mit großen Träumen und Plänen für die Zukunft (wodurch ich mich gut mit ihr identifizieren konnte) und stellt erst jetzt fest, dass sie eigentlich kaum je den Moment gelebt hat. Nun stellt sie sich natürlich die Frage, ob sie nicht mehr aus ihrem Leben hätte machen können, hätte sie früher von ihrem Schicksal gewusst. Die Frage, ob man sein Leben bis jetzt wirklich zu würdigen wusste, ist eine, die sich der Leser so automatisch auch stellt und die einen zum Nachdenken anregt.

Sehr gut gefallen hat mir auch der Raum, den Musik in diesem Roman einnimmt. Hinten im Buch findet man Tessas Playlist aus Songs, von denen viele irgendwo im Buch erwähnt werden. Auch andere Lieder, über die sie und Oskar reden oder die sie hören werden im Text erwähnt, sodass man sich seinen eigenen Soundtrack zur Lektüre heraussuchen kann.

Leider ging mir Tessa als Figur extrem auf die Nerven, was es mir schwer machte, mit ihr mitzufühlen. Konnte ich mich noch mit ihrer Persönlichkeit, wie sie scheinbar vor der Diagnose war, und ihrer Art, viel zu viel über alles nachzudenken (worauf Oskar auch immer wieder auf charmante Art und Weise aufmerksam macht), gut identifizieren, konnte ich sie in anderen Punkten nicht verstehen. Beispielsweise sieht sie sich immer unter anderem deswegen als nicht begehrenswert, weil sie keinen Führerschein hat. Hallo? Seit wann braucht eine 17-jährige in einer Großstadt einen Führerschein? Mag sein, dass die Münchener Jugend da anders tickt, aber meiner Erfahrung nach kann man mit einem Auto in einer Großstadt eh nicht so viel anfangen und es ist definitiv kein Statussymbol, das es wert wäre, sich deswegen für minderwertig zu halten.
Des Weiteren kam es mir unlogisch vor, dass Tessa einerseits durchgehend davon redet, wie sehr sie Oskar liebt, andererseits aber kaum je darüber nachdenkt, dass er unter ihrem Tod leiden wird, sondern stattdessen lieber jammert, dass er nach ihr noch andere Frauen kennenlernen wird. Letztere Egozentrik ist ja bei Sterbenden vielleicht noch recht realistisch, aber wenn sie Oskar wirklich so lieben würde, würde sie vielleicht auch mal an ihn denken.

Die Liebesgeschichte zwischen Tes und Oskar ist aber ohnehin mein rotes Tuch bei der Lektüre. Das fängt schon bei der ersten Begegnung der beiden an: Tessa sieht Oskar in der U-Bahn und ohne dass er irgendetwas sagen oder tun würde, beeindruckt er sie so nachhaltig, dass sie sich noch fünf Monate später an ihn erinnert. An einen Blick...
Selbstverständlich ist Oskar auch genauso in jeder Hinsicht perfekt, zuckt nicht mit der Wimper, als er erfährt, dass sie sterben wird, und stellt ohne zu zögern sein Leben für sie auf den Kopf. Oskar scheint keinen einzigen Fehler zu haben und das machte ihn und seine völlig überstürzte Liebe zu Tessa in meinen Augen leider unglaublich langweilig.
Doch obwohl Oskar von Anfang an ganz offensichtlich Tessa verfallen ist, muss man sich trotzdem durch seitenlange Überlegungen Tessas, was er bloß an ihr finden könnte, quälen, was extrem nervig ist angesichts der Tatsache, dass für den Leser von Anfang an klar ist, das Oskar nie auch nur eine andere Frau anschauen würde, wenn Tessa dabei ist.
Viele Szenen zwischen Oskar und Tessa sind wirklich süß und liebenswert, aber trotzdem konnte ich diese Zwei-Wochen-Liebe, die für mich aus dem Nichts kam, nicht nachvollziehen. Vielleicht bin ich zu unromantisch für dieses Buch.

Fazit

"Mein bester letzter Sommer" ist ein poetisch-prickelnder Roadtrip-Roman, der sich auf berührende Weise mit dem Tod in jungen Jahren auseinandersetzt und Fernweh in mir geweckt hat. Leider wirkte die Liebesgeschichte auf mich extrem farblos und nicht nachvollziehbar und ich konnte mich mit der Hauptfigur nicht hundertprozentig anfreunden, weshalb ich nur drei Sterne vergeben kann. Andere Bücher mit ähnlicher Thematik könnte ich eher empfehlen.