Rezension

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Etwas seltsames Ende

Adieu, Sir Merivel - Rose Tremain

Adieu, Sir Merivel
von Rose Tremain

Sir Merivel wird alt. Der Großteil seines Lebens liegt bereits hinter ihm. Als ihn seine Tochter ein paar Wochen für eine Urlaubsreise mit einer benachbarten Familie verlassen will, beginnt er über sein Leben nachzudenken. Und stellt sich die Frage, was er bisher denn überhaupt alles erreicht hat. Seine Eltern waren einfache Leute und sind bei einem Feuer ums Leben gekommen. Er selbst konnte als Arzt diesem Schicksal entkommen, indem er die Gunst des Königs erwarb und ein hübsches Gutshaus von ihm erhielt und in dem er seine Tochter alleine großgezogen hat. Und nun, da seine Tochter ihn verlassen will, hat er Angst vor der Einsamkeit im Alter. Weswegen er beschließt etwas Neues zu erleben, ein letztes Abenteuer. Er will an den königlichen Hof nach Versailles reisen und für den Sonnenkönig arbeiten. Dort angekommen erlangt er jedoch sogar trotz Empfehlungsschreiben nicht einmal eine Audienz und scheitert kläglich an seinem Vorhaben. Jedoch lernt er am Hof Louise kennen, eine unglücklich verheiratete Frau, mit der er ein Verhältnis beginnt. Da es zum Konflikt mit Louises Ehemann kommt, reist er schließlich wieder zurück nach England, nur um seine Tochter schwerkrank vorzufinden. Nachdem er lange unter anderem mit der Unterstützung des englischen Königs an ihrem Krankenbett gewacht hat, geht es ihr wieder besser. Jedoch wurde sie vom König an den englischen Königshof eingeladen, weswegen Merivel erneut alleine zurückbleibt. Er reist zu seiner geliebten Louise in die Schweiz und genießt sein Leben, jedoch wird ihm Louises Nähe bald zu viel. Mit dem Versprechen, sie nach dem Tod ihres Mannes schließlich zu heiraten, reist er zurück nach England, da er ans Sterbebett des englischen Königs gerufen wurde. Der König stirbt, und Merivel verlässt sämtlicher Lebenswille. Nachdem auch sein treuer Diener gestorben ist und seine Tochter sich verlobt hat, beschließt er England hinter sich zu lassen und sein neues Leben in der Schweiz zu beginnen, mit dem er sich jedoch nicht wirklich anfreunden kann. Seine Zustimmung zur geplanten Hochzeit hat er weniger aus Zuneigung, sondern vielmehr aufgrund der Aussicht auf Reichtum und Standesansehen gegeben. Dorthin schafft er es jedoch nie. Seines Lebenswillen beraubt stirbt er.
Das Buch "Adieu, Sir Merivel" liest sich leicht und flüssig und war unterhaltsam. Da es sich um die letzte Zeit in Merivels Leben handelt, lassen sich Melancholie und tiefgründige Gedankengänge nicht vermeiden und gehören nun mal dazu. Dies macht das Buch leider ab und zu langatmig, und gegen Ende fehlte es etwas an Spannung. Nichtsdestotrotz war es ein gutes Buch. Die Hauptperson, Sir Merivel, ist ein Mensch wie jeder andere, der Fehler macht und sich seine Fehler auch mehr oder weniger eingesteht. Einzig seine unerschütterliche Liebe und Treue zum König ist nicht ganz nachvollziehbar, da er doch ein aufgeklärter und gelehrter Mann ist. Er glaubt nicht an Gott und die Kirche, jedoch schenkt er seinen unerschütterlichen Glauben einem König, der selbst voller Fehler ist und ihn sogar einst verstoßen hat. Sir Merivel stellt dies als seinen eigenen Fehler, seinen Vertrauensbruch am König dar, und stellt die Handlungen des Königs überhaupt nicht in Frage. Auch das starre Beharren auf der Tierliebe, des Königs an seinen Hunden, so wie auch Sir Merivel an dem von ihm geretteten Bären Claredon, dessen Tod und Einsamkeit er dann doch selbst verschuldet sind etwas überzogen, angesichts der Tatsache, dass Sir Merivel als Arzt eigentlich sein Augenmerk auf die verarmten Menschen in seiner Umgebung und ihre Hungersnöte achten sollte. Die Hauptperson ist somit, einerseits aufgeklärt und anderseits königstreu und blind für die Menschen aus der Unterschicht und ihre Probleme, womit sich die Person an sich irgendwo selbst etwas wiederspricht.
Die Zeit rund um den Sonnenkönig in England und Frankreich, in der die Könige ohne sich wirklich um ihre Untertanen zu kümmern am Prunk des Hofes in Saus und Braus leben wird dadurch vielleicht aber noch besser getroffen, weshalb ich das Buch durchaus weiterempfehlen kann.