Rezension

Etwas zu detailiert

Goethe -  Kunstwerk des Lebens - Rüdiger Safranski

Goethe - Kunstwerk des Lebens
von Rüdiger Safranski

Bewertet mit 3 Sternen

~~Dies war meine erste Biographie von Goethe - und nicht unbedingt die letzte! Goethe war ein unruhiger, schöpferischer Geist, unglaublich produktiv und kommunikativ, kurz: eine sehr faszinierende Persönlichkeit in einer Zeit, die von aufkommender (Natur-)Wissenschaft und geistig-philosophischer Aufklärung bestimmt war.

Erzählt wird Goethes Leben chronologisch von seiner Geburt bis hin zu seinem Tod. Sicherlich ist dies eine legitime Herangehensweise, die zunächst sehr einleuchtend erscheint, doch ob sie tatsächlich so sinnvoll ist, mag dahingestellt sein. Vielleicht hätte das Setzen verschiedener Schwerpunkte aus Goethes umfangreichem Schaffen und langem Leben mir einen höheren Hörgenuss verschafft. So weiß ich zwar nun, was in Goethes Biographie nacheinander geschah, doch wurde ich mit einer derartigen Menge an Informationen und v.a. Personen überflutet, die mich doch etwas überforderte, zumal ein Großteil dieser Personen im weiteren Verlauf von Goethes Leben gar keine Rolle mehr spielten bzw. ihre Beziehung zu Goethe nicht weiter thematisiert wurden. Dies empfand ich generell als sehr schade während des Hörens: Da erfahre ich etwas über eine Person, mit der Goethe eine innige Freundschaft verband, teilweise über Jahrzehnte - aber es wird nur in einem einzigen Kapitel etwas darüber berichtet (z.B. über sein Verhältnis zu Herder oder auch zu Christiane Vulpius).

Als sehr anstrengend empfand ich die teilweise bis ins kleinste Detail gehenden philosphischen und naturwissenschaftlichen Betrachtungen Goethes. Hier wären im Prinzip weitreichende Kenntnisse über die Aufklärung und ihre wissenschaftlich-philosophischen Diskurse vonnöten gewesen, um den vielen Seiten, die die Biographie diesen widmet, folgen und nachvollziehen zu können, z.B. dahingehend, was genau bei Goethe denn nun neu bzw. anders war.

Genervt war ich letztlich von seitenlangen Zusammenfassungen und Interpretationen von Goethes Werken: Wilhelm Meister, Werther, Iphigenie, Egmont etc. - und natürlich Faust. Dies muss m.E. nicht unbedingt in eine Biographie hinein. Hier hätten mich eher die Umstände der Entstehung, die Rezeption und Nachwirkungen der Werke interessiert als ihre detailierten Inhaltsangaben und Analysen.

Nicht falsch verstehen: Ich fand diese Biographie sehr interessant und habe sie gern gehört. Aber mir wäre letztlich eine andere Herangehensweise und Schwerpunktsetzung lieber und wohl auch leichter zugänglich gewesen, zumal der Autor nur direkte Goethe-Quellen heranzieht und oftmals wörtlich zitiert. Dabei kommt zwar Goethe selbst zu Wort, doch fehlte mir bisweilen ein distanzierter Blick von außen.

3 von 5 Sternen