Rezension

Exakt recherchiert

Die Hessin auf dem Zarenthron - Marianna Butenschön

Die Hessin auf dem Zarenthron
von Marianna Butenschön

Bewertet mit 5 Sternen

„...Aber Maria fügte sich. Sie fügte sich immer...“

 

Maximiliane Wilhelmine Auguste Sophie Marie von Hessen und bei Rhein war 14 Jahre alt, als der russische Thronfolger Alexander Nikolajewitsch Darmstadt besucht. Er ist von dem jungen Mädchen beeindruckt. Drei Jahre später findet die Hochzeit statt. Marie tritt der russisch-orthodoxen Kirche bei und trägt ab sofort den Namen Maria Alexandrowna.

Die Autorin hat ein inhaltsreiches Sachbuch geschrieben. Das Buch zeigt von einer exakten und umfangreichen Recherche.

Zu Beginn gibt es eine kurze Zusammenfassung des Lebens der Kaiserin. Am Ende informiert die Autorin über Spuren, die von der Kaiserin in Kunst, Kultur und Architektur zeugen. Dazwischen wird in 12 Kapiteln vom Leben der Kaiserin erzählt, beginnend mit ihrer Kindheit bei Darmstadt und endend mit ihrem Tod in St. Petersburg.

Doch das Buch ist weit mehr als eine Lebensbeschreibung. Es erzählt ein Stück europäischer Geschichte. Dazu gehören die komplizierten Verbindungen der Herrscherhäuser. Ich fand es spannend zu lesen, wie oft zum Beispiel deutsche Prinzessinnen noch Russland geheiratet haben. Maries Schwiegermutter stammte aus dem Hause Preußen. Sie nahm sich liebevoll der jungen Frau an und führte sie in die unbekannte Welt ein.

Der Schriftstil des Buches lässt sich gut lesen. Er ist zwar sehr sachlich gehalten, zeigt aber die Sympathie der Autorin für Marie.

Sehr genau werden die Verhältnisse in Russland wiedergegeben. Der Krimkrieg und die Schwierigkeit, die Leibeigenschaft abzuschaffen, fallen in die Zeit der Handlung. Reformen werden, wenn überhaupt, nur zögerlich angegangen. Dafür blühen Kunst und Kultur. Es ist die Zeit eines Tolstoj und eines Dostojewski. Die erste Eisenbahnlinie wird zwischen St. Petersburg und Moskau eröffnet. Als Leser erfahre ich, welch gegensätzliche Auffassungen es über die Erziehung des künftigen Herrschers gab. Weltoffenheit oder militärischer Drill standen zur Debatte.

Obiges Zitat kennzeichnet Marie und wird an verschiedenen Stellen wiederholt. Auflehnung war für sie kein Thema. Sie fand Nischen, um sich einzubringen. Dazu gehörte die Installation von Mädchengymnasien und die Gründung des russischen Roten Kreuzes.

An vielen Stellen werden Rückblicke in die Vergangenheit eingefügt. Dadurch wird die Geschichte des Hauses Romanow und seine internationalen Verknüpfungen deutlich.

Gut gefallen hat mir, dass auch die Besucher Russlands Platz im Buch bekamen. Dazu gehörte die Strauß-Kapelle und der Künstler Franz Xaver Winterhalter, dessen Porträt der Kaiserin das Cover ziert.

Etwa in der Mitte des Buches befinden sich mehrere Fotografien der Protagonisten.

Im Anhang gibt es unter anderen ein Glossar, ein umfangreiches Personenverzeichnis und eine Zeittafel.

Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Es ermöglicht einen Einblick in eine sonst wenig thematisierte Epoche der russischen Geschichte und bettet sie geschickt in die Weltgeschichte. Und es zeigt, dass und warum in dieser Zeit erste Bewegungen entstanden, die später den Weg für die Revolution ebneten.